Woodys Frauen

Ganz tief im Innersten, das schrieb der Kritiker Benjamin Henrichs schon luzid zu „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“, also 1989, hält sich dieser nervöse, kümmerliche, gebeugte kleine Mann doch für einen wahren Herzensbrecher, einen Don Juan, den perfekten Liebhaber. Wie wir aus dem wirklichen Leben des Woody Allen wissen, sind seine Leidenschaften zwar nicht gesellschaftsfähig, wären aber eines Tschechowschen, ja Bergmanschen Dramas würdig, das er noch zu verfilmen hätte. „Halt dich fest, Mutter!“ hatte er einst Diane Keaton geraten, schon in „Bananas“ war der Beischlaf ein Boxkampf mit Reporter an der Bettkante, und insbesondere in der „Sommernachts-Sexkomödie“, in „Mighty Aphrodite“ und „Deconstructing Harry“ beschäftigt ihn Fellatio wahrlich obsessiv. Von dem Kalauer mit Masturbation als Sex mit jemandem, den man liebt, verschämt zu schweigen.

Neben den Allenschen Manierismen und running gags sind es stets die exzellenten Schauspieler in seinen Filmen (die für den festgeschriebenen Mindestlohn arbeiten), die noch die minderen Komödien (und „September“ und „Eine andere Frau“ und „Innenleben“) sehenswert machen, wie bei keinem anderen Regisseur – abgesehen von George Cukor, der 1939 „Die Frauen“ ohne Männer, aber mit Pferden drehte treten bei Allen die begehrenswertesten, die glamourösesten, die kapriziösesten Grazien auf. Dabei sind Diane Keaton und Mia Farrow nur die bekanntesten und geduldigsten, die Woodys 70er und 80er Jahre bestimmten.

Die frühreife Mariel Hemingway betörte in „Manhattan“ den viel älteren Schwerenöter, der zu spät erkennt, was er verliert. Die sehr junge Sharon Stone ist in der Anfangssequenz von „Stardust Memories“ hinter einem Eisenbahnfenster zu sehen – Versuchung und Nemesis zugleich. Nicht einmal Charlotte Rampling kann den Künstler aus der Krise befreien. In „Manhattan“ ist es Meryl Streep als von Allen getrennte Ehefrau, die ihn mit einem Enthüllungsbuch diskreditieren will. Barbara Hershey wird in „Hannah und ihre Schwestern“ von Max von Sydow und Michael Caine begehrt, während Woody mit der durchgeknallten Dianne Wiest ausgehen muß. Madonna hat einen kleinen Auftritt in „Schatten und Nebel“, Juliette Lewis verführt – nach ihrer unvergeßlichen Szene neben De Niro in Scorseses „Cape Fear“ – den Professor in „Ehemänner und Ehefrauen“, und in „Deconstructing Harry“ hält es Elizabeth Shue so wenig mit Woody aus wie die reife Kirstie Alley. Mira Sorvino bekam für ihre dralle Hure in „Mighty Aphrodite“ einen Oscar. In „Everyone Says I Love You“ spielt Drew Barrymore mit, und Woody lernt in Venedig die kunstinteressierte Julia Roberts kennen. Ihretwegen lernt er Gitarrespielen, und als sie ihn dennoch verläßt, singt er auf einem Balkon „I’m through with love“. In „Celebrity“ zeigt Melanie Griffiths (praktisch als sie selbst) dem Reporter Kenneth Branagh ihr Elternhaus – und so.

Diese Besetzungen sind nicht zuvörderst geglücktem Casting geschuldet, sondern dem Umstand, daß noch immer fast jeder Schauspieler gern in einem Film von Woody Allen auftritt. Allerdings scheint es die männlichen Aufsteiger und Stars nicht so sehr in Woodys Welt zu ziehen. Zwar gab es wunderbare Rollen für Martin Landau, Robin Williams, Alan Alda, auch Edward Norton und Hugh Grant – aber die erotische Wirkung eines Alien-Films ist bei den großen Darstellern gering. Oder schreibt Allen erst gar keine Rollen für andere Liebhaber als sich selbst? Tatsächlich ist er genau der Mann, der noch mit 70 Jahren das Helfersyndrom bei gebildeten jungen (wie alten) Dingern auslöst. In der erschütternden Dokumentation „Wild Man’s Blues – vorgeblich ein Film über die Konzertreise mit der Dixieland-Band sehen wir den wahren Woody mit Soon-Yi in einem italienischen Hotel beim Frühstück. Der Tisch ist festlich gedeckt, doch Woody hat gar keinen Appetit: Er bekam vorher Schwierigkeiten mit der Fußmatte in der marmornen Duschwanne. Und ist untröstlich. Dann begleitet er Soon-Yi ins Schwimmbad des Hotels – stakst zaudernd ins Naß, traut sich nur bis zur Hühnerbrust ins Wasser, dabei unentwegt nörgelnd. Panisch wird er am Abend, als die Bewunderer den Eingang belagern und Woody nicht die Lobby betreten will. Da sieht man, daß der lustige Hypochonder stets auch ein egozentrischer Tyrann ist.

In seinem Alter läßt sich Allen jetzt gern von jüngeren Männern vertreten. Mit Scarlett Johansson hat er für „Match Point“ wieder eine Schauspielerin der Stunde engagiert. Doch die wahre Verführung ist nicht im Plot zu finden, sondern hinter der Kamera, wo Allen jeweils nur einmal erklärt, was zu tun ist. Hier gibt es keinen Widerspruch. Die Frauen wissen natürlich, was ihnen dafür geschenkt wird: So wie Aliens Kameramann Gordon Willis sie ausgeleuchtet hat, möchten sie auch im wirklichen Leben erscheinen.

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