Working Class Punk

Juni 2010 Das dritte Album der Punkrocker aus New Jersey war die gravitätische Großplatte, auf die man gewartet hatte. Selbst Bruce Springsteen war begeistert.

The Gaslight Anthem

**** American Slang

Side One Dummy/ Cargo

Im Juni 2009 kam es zu einem bemerkenswerten Zusammenschluss: Während des Auftritts von The Gaslight Anthem beim Londoner „Hard Rock Calling Weekend“ gesellte sich Bruce Springsteen zu den vier Musikern aus der gemeinsamen Heimat New Jersey, um mit ihnen „The ’59 Sound“ zu schmettern. Später teilte sich Gaslight-Anthem-Sänger Brian Fallon ein weiteres Mal das Mikro mit Springsteen, diesmal bei dessen „No Surrender“: Der neuenglische Solidaritätspakt war endgültig besiegelt. „The kids from Gaslight are great“, befand Springsteen anschließend.

Dass er sich mit der tätowierten Punk-Hoffnung anfreundet, ist absolut kein Wunder: Fallon war früher Schreiner und fühlt sich nun für die Nöte der kleinen Leute verantwortlich. Ein großes Ego, so sagt er gerne, sei nichts, womit man in Jersey weit komme. Eine Haltung, die bekanntlich eine Grundlage von Springsteens bald 40-jähriger Karriere ist.

Und dann ist da natürlich die Musik: „American Slang“ hat diese spezielle Form von Inbrunst und undefinierbarer Sehnsucht, die es für diese Art universell gültiger Rock-Hymnik braucht. Der Song, der das dritte Gaslight-Album eröffnet, ist zudem ein Quasi-Plagiat von „When You Were Young“ (The Killers), was vor allem eins beweist: Es ist egal, ob man sich Springsteen aus der Pop- oder der Punk-Perspektive nähert, man kommt stets zu ähnlichen Ergebnissen.

Warum „American Slang“ trotz der vielen Verweise das beste Statement des Weiße-Unterhemden- und-Fäuste-Hochrecker-Rock seit „White Light White Heat White Trash“ von Social Distortion ist? Weil Brian Fallon ein großes, wild schlagendes Herz hat und genau jene wackere Attitüde, die ihn die Eulenspiegelei vom aufrechten Working Class Hero glaubhaft verkörpern lässt. Und natürlich weil Gaslight Anthem all die Fallstricke vermeiden, die folkbasierten Säufer-Punk-Rock oft so plump wirken lassen. In den zwei Jahren seit dem Durchbruchs-Album „The ’59 Sound“ sind bei Fallon nicht nur zahlreiche Tätowierungen dazugekommen, sondern auch noch mehr Raffinesse im Umgang mit Melodien und Arrangements. Zudem singt der Mann, statt immer nur zu schreien.

Inhaltlich ist „American Slang“ ein Übergangsalbum geworden. Nach zwei Jahren unterwegs war Jersey Fallon zu eng geworden. Bei den Aufnahmen in seiner neuen Heimat New York haderte der Sänger mit dem Ende der Jugend und der Erkenntnis, dass einen auf die großen Veränderungen eben doch niemand vorbereitet: „Mama never told me there’d be days like these“, singt er in „Stay Lucky“, einer Soul-infizierten Adoleszenz-Hymne.

Man konnte ahnen, dass Gaslight Anthem jetzt ihre gravitätische Großplatte machen würden – nun ist es tatsächlich gelungen. Das erste, reine Punk-Album „Sink Or Swim“ ist in jeder Sekunde dieser zehn Songs meilenweit entfernt. Das an „Moment Of Surrender“ (U2) erinnernde „We Did It When We Were Young“ setzt schließlich den Schlusspunkt unter ein sehr gelungenes, sehr amerikanisches Durchhalte- und Weitermach-Album: „But I am older now, and we did it when we were young.“ Das heißt auch und vor allem: Es könnte gerade erst losgehen.

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