You speak Bamyasi?

Klischee bestätigt: Auch die Remaster-CDs der Kölner Can laufen im Ausland super und versauern bei uns im Jazz-Regal

Was wollen wir noch über Can wissen? Oder: Was trauen wir uns noch zu fragen über Can, ohne Angst zu haben, schon durch die Fragestellung wie Idioten dazustehen? Vielleicht: Herr Schmidt, wie verkaufen sich denn die SACD-Reissues, die seit anderthalb Jahren nach und nach herausgekommen sind? „In Japan gut, in Amerika gut“, sagt Irmin Schmidt, 59, Keyboarder, Bandgründer, am Telefon vom Wohn- und Labelsitz in Südfrankreich aus. „In England gut. In Deutschland schlecht. Was viele Gründe haben kann. Vielleicht denken sich die Händler: Can, das ist was ganz Altes, das brauch ich nicht. Im Saturn in Köln hab ich ein halbes Jahr lang nach den SACDs gesucht und sie dann in der Jazz-Abteilung gefunden.“ Bedrückende Vorstellung, wie Schmidt im Elektromarkt nach den eigenen Platten fahndet. Eine Sonder-Vinylpressung des Can-Disco-Hits „I Want More“ hat sich in Großbritannien rasend verkauft, in Deutschland hat der Vertrieb sie gar nicht erst ins Programm genommen.

Der durchgekäste Gemeinplatz, dass die aufregendste Beat-Minimal-Kurzwellen-Tribal-Band der 70er Jahre nur im Ausland angemessen geliebt wurde, lässt sich also betriebswirtschaftlich untermauern. „In England hat uns auch keiner je als Hippies bezeichnet“, sagt Schmidt, knarzend süffisant, nicht beleidigt, „das waren höchstens ein paar Leute in Deutschland, für die jeder ein Hippie war, der lange Haare hatte. Wir waren alles andere als Hippies, dazu waren wir viel zu brutal.“ Die Punks liebten bekanntlich Can, obwohl die meisten nur das erste Album kannten – der mittlere Johnny Rotten bewarb sich ja sogar als Sänger. „Wir haben mehrfach telefoniert, und ich hatte einige Mühe, ihm zu erklären, dass wir gerade dabei waren, uns aufzulösen.“

Aus der Phase kommen die schwierigsten Platten, die eben erschienene letzte SACD-Staffel, denn die kanonische Kritik sieht im Spätwerk keine großen Höhepunkte, mehr ein Dokument des Zerbröckelns. „Es gab damals auch persönliche Konflikte in der Band, die ein bisschen schwieriger wurden. Aber vor allem war es diese irrsinnige Spannung, so eine Musik zu machen, also nicht einfach rumzujammen, sondern gemeinsam spontan zu komponieren. Da braucht man bei aller Wildheit große Disziplin, und irgendwann schleichen sich dann Ermüdung und Routine ein. Man weiß nach acht Jahren genau, wie der andere reagieren wird.“

Schmidt, in dessen langer Laufbahn die zehn Can-Jahre wie eine Episode wirken, komponiert derzeit eine Ballettmusik für die Düsseldorfer Oper, großes Symphonieorchester plus Elektronik. „Orchestermusiker haben ja schreckliche Angst vor Elektronik, weil sie immer noch denken, die macht sie tot.“ Ist das nicht komisch, dass 30 Jahre nach Platten wie „Tago Mago“ viel jüngere Leute noch so antiquiert über Musik denken? „Nein“, sagt Schmidt. „Man weiß doch, dass nie eine ganze Kultur geschlossen auf demselben historischen Weg marschiert. Die strengsten Kompositionen von Webern sind zum Beispiel noch vor den ganz und gar romantischen Werken von Richard Strauß geschrieben worden, und Jazz gab es da auch schon. Das, was man Postmoderne nennt, ist ja nichts weiter als das Anerkennen, dass es heute kein verpflichtendes Stilgefühl mehr gibt. Die, die sich auf Höhe der Zeit wähnen, sind viel unangenehmer.“

Insofern war auch „Rite Time“, die letzte Platte im Paket, die 80er-Can-Reunion, in Schmidts Augen kein zeitgemäßer Fortschritt. „Misslungen ist sie nicht, aber sie klingt für mich ein bisschen zu sehr so, wie man es erwartet hätte. Wie Can. Ich hätte mir gewünscht, dass da irgendetwas entsteht, aber dazu hätte man ja lange und viel zusammen sein müssen, und das hab ich mir wiederum nicht gewünscht.“ Eine Wiedervereinigung der drei verbliebenen Mitgliederschließt er nach Michael Karolis Tod übrigens aus. Wenn er 2006 Can spielt, dann höchstens so wie die Kapuzen-Typen in England: als DJ mit dem tollen „I Want More“-Vinyl.

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