Interview

Zoe Wees im Portrait: Alles musste raus

Wees fiel bei „The Voice Kids“ mit ihrer dunklen Stimme Ed Sheeran auf – und gilt mit 21 Jahren als eines der größten Pop-Talente ihrer Generation. Wir führten mit Zoe ein Interview über ihre Kindheit, ihr neues Album und über Therapie.

Zoe Wees wuchs in Hamburg bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf. Ihren Vater lernte sie erst mit sechzehn Jahren kennen. Als Kind der Nullerjahre, in einer Zeit, als Nintendo-Spielkonsolen, Handys und iPods den Markt überschwemmten, hatte Zoe stets weniger als andere Kinder. Auch Musik hat sie erst spät gemacht. Sie hat in ihrer Kindheit nicht mal Radio gehört, schon gar keine Album – maximal Musik von Künstlern wie Miley Cyrus oder Justin Bieber: „Ich habe immer nur Songs gehört, die im Fernsehen wo liefen. Musik selbst angemacht habe ich selten. Ich hatte auch nur maximal einen iPod.“

Dass sie ihren Frust darüber oft gegen ihre Mutter richtete, verarbeitet Wees nun in dem Song „Sorry For The Drama“, dem ersten auf ihrem Debütalbum, „Therapy“. „Das Lied ist eine Entschuldigung an meine Mutter. Weil ich früher sehr frech war, immer mehr wollte. Oder zumindest gleich viel wie die anderen Kids.“

„Ich möchte einfach, dass die Leute mich als easy sehen!“

Heute ist Zoe ein anderer, ein dankbarerer Mensch: „Denn jetzt, besonders wenn ich mit meinem eigenen, hart verdienten Geld etwas ermöglichen oder meiner Mutter helfen kann, empfinde ich tiefe Dankbarkeit.“ Zoe glaubt, dass viele Kinder nicht nachvollziehen können, weshalb sie bestimmte Dinge nicht bekommen. „Die Kids sehen oft nicht, wie sehr ihre Eltern arbeiten und sich anstrengen, um ihnen all das zu bieten, was ihre Freunde haben und was sie sich wünschen. Als Kind realisiert man nicht immer, dass die Eltern nur das Beste für einen wollen.“

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Richtig begann es für Wees mit der Musik 2017. Damals nahm sie an der fünften Staffel der Musik-Castingshow „The Voice Kids“ teil. Während der Show traf sie Ed Sheeran, der von ihr beeindruckt war. Schließlich nutzte Wees die sozialen Netzwerke, um dort ihre Karriere eigenständig weiter aufzubauen, und machte mit Coverversionen von Lewis Capaldi, James Bay oder Leonard Cohen auf sich aufmerksam. Mit Erfolg: Ein Jahr später, 2018, begann sie in Hamburg mit dem Produzententeam Patrick Pyke Salmy und Ricardo Muñoz sowie den Songwriter:innen Emma Rosen und René Miller zusammenzuarbeiten. Ende März 2020 veröffentlichte sie ihre Debütsingle, „Control“.

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Ein Erfolg. Doch trotz des darauf einsetzenden Rummels, der bis heute nicht sonderlich abgeebbt ist, wirkt Zoe geerdet: „Ich möchte einfach, dass die Leute mich als easy sehen. Einfach cool. Bei mir kann man sich entspannen.“ Wees hat das Talent, mit ihren Worten und ihrer Musik eine Brücke zwischen ihren eigenen Erfahrungen und den Gefühlen ihrer Hörerinnen und Hörer zu schlagen. Wie sie das schafft? Ihre immer etwas melancholisch angehauchte Musik vermittelt so etwas wie Echtheit.

„Ich habe das Gefühl, wenn ich fröhliche Musik höre, während ich traurig bin, dann stoppe ich meine Traurigkeit bloß. Lieber gehe ich durch den kompletten Prozess. Höre traurige Musik. Vielleicht kriege ich dann sogar Ängste, okay, aber danach geht’s mir besser! So habe ich viel langfristiger was davon – statt des kurzen Moments beim Tanzen zu fröhlicher Musik.“

Auch in der Liebe setzt Zoe Wees auf Nachhaltigkeit. „Love should be easy“, da ist sie sicher, und so nennt sie auch einen Song auf ihrem Album. „Das, was zu mir gehört, sollte eigentlich ganz natürlich und leicht zu mir finden. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen, aber man sollte leicht wie der zueinanderfinden. Wenn das nicht passiert und man ständig kämpfen muss, dann stimmt etwas nicht. Ich bin nicht gern allein, aber ich suche auch nicht verzweifelt nach jemandem. Ich chille lieber mit meinen Freunden.“

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„Therapy“ ist das Album einer 21-Jährigen, die ihre Welt verarbeitet: Liebe und Herzschmerz, die Abwesenheit des Vaters, die Selbstbehauptung. Psychische und körperliche Gesundheit und die Solidarität unter Frauen sind ebenso wichtige Themen für sie.„Das alles musste aus mir raus. Für mich, für meine Generation und auch für ältere Leute – besonders für die. Wenn die nämlich über meine Generation sagen, wir hätten keine echten Probleme, muss ich entgegnen: Doch! Menschen bringen sich täglich wegen vermeintlich nicht so schlimmer Probleme um!“

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