Zu zweit auf einer Vespa

Blümchen ist zurück, aber wer Blümchen sagt, der zahlt! Jasmin Wagner (25) arbeitet jetzt (nachdem ein fertiges Album letztes Jahr gekippt wurde) mit Produzent Michel Van Dyke, singt kecken Sixties-Pop mit jungen Gitarren und ließ sich für die Platte „Die Versuchung“ elf Stücke von Bernd Begemann texten. Der elektrische Liedermacher und das Showgirl – das ungewöhnliche Paar baten wir in Hamburg an einen Tisch.

Jasmin, ganz ehrlich: Kannten Sie vorher denn Begemanns Musik?

Jasmin Wagner: Nein. Ich kannte den Namen Bernd Begemann natürlich, ich bin ja in Hamburg aufgewachsen. Aber ich wußte nicht genau, was er alles geleistet hat. Das war gut, zuviel Ehrfurcht hätte mich sicher gehemmt.

Bernd Begemann: Ich hatte echt Lust, mit Jasmin zusammenzuarbeiten, weil ich finde: Sie ist einer der wenigen echten Stars, die wir haben. Und zwar perse. Sie strahlt.

JW: Michel Van Dyke hat Bernds Namen ins Spiel gebracht, und dann haben wir uns erst mal kennengelernt und geschaut, ob wir uns mögen.

BB: Der erste Kontakt war an einem Nachmittag am Hafen. Ich hab mir sogar Notizen gemacht, weil ich professionell erscheinen wollte. Ich musste sie ja kennenlernen, um die Lieder schreiben zu können. Ich hab mir vorgestellt, ich bin John Cassavetes, der für Gena Rowlands schreibt!

Haben Sie früher schon für andere geschrieben?

BB: Ja, aber die Lieder hat nie einer aufgenommen. In den späten Achtzigern hab ich für Nino de Angelo Songs gemacht. Ich hab dann seinen Produzenten getroffen, die haben mir so ’nen Tee angeboten und mich dann wieder rausgebeten. Da hab ich mir gedacht, das ist vielleicht ’n schlechtes Zeichen… Es sind aber Lieder von mir gecovert worden, von Echt, den Prinzen. Die haben „Gut im Bett (nirgendwo sonst)“ gesungen, aber die ganzen schmutzigen Stellen rausgenommen.

JW:An dem ersten, unveröffentlichten Album waren Leute wie Inga Humpe, Uwe Fahrenkrog-Petersen und Peter Plate beteiligt. Ich fühlte mich schon sehr geehrt, aber am Ende kam ein Puzzle heraus, das nicht mehr zusammenpasste. Und so wie dieses Dreigestirn jetzt funktioniert hat, das war perfekt! Wie in „Match Point“: Man muss an die richtigen Leute geraten, aber eben auch ein Risiko eingehen. Ich hätte auch aus meinem Deal rausfliegen können. Das hat ja relativ viel Geld gekostet, dieses Album, das nie rausgekommen ist.

BB: Ach ja, ich hab auch mal was für Gitte Haenning geschrieben. Wurde auch nicht genommen. Oh Mann, die Liste meiner Flops ist endlos. Heinz Hoenig! Obwohl, gut, dass das nicht rausgekommen ist…

Gab es eine Text-Manöverkritik, so in der Art: Frauen denken so was nicht?

JW: Wenn Michel mir die Sachen vorgespielt hat, hab ich manchmal gesagt: Das ist aber ein Jungsthema! Mädchen empfinden das anders.

BB: Am Anfang sind unsere Gedanken ja in alle möglichen Richtungen gegangen. Und… da war diese Versuchung, einen wirklich radikalen Schnitt zu machen, was echt Schmutziges, Unanständiges für Jasmin zu schreiben…

JW: …ja, das war Michels große Idee.

BB: Er hat auch so Witzchen gemacht: Das Beste, was passieren könnte, ist, dass sie dich mit ’ner Nadel auf dem Bahnhofsklo erwischen… (lacht)

JW: Teilweise wollte ich das ja unterstützen, abnehmen, damit ich ein bisschen blass und verhungert aussehe, aber das ging mir dann doch zu weit…

Wie bitte? Sollte das ein Kate-Moss-Ding werden?

JW: Ja, das war Teil des Plans. Aber allzu ernst war es nicht gemeint.

BB: Sie sollte fallen und dann wieder emporsteigen…

JW: …aber dafür hab ich ja viel zu oft Kuchen mit ins Studio gebracht.

Das Ganze erinnert ja an das Album, das Elvis Costello 1993 für die Transvision Vamp-Sängerin Wendy James schrieb.

BB: Genau, aber da hört man in einigen Liedern auch, wie er sie verachtet. „Hey, little puppet girl“ zum Beispiel. Das war böse von ihm, das find ich nicht richtig.

JW: Hab ich auch ein „Puppet Girl“ auf meiner Platte?

BB: Wir stellen uns doch nicht über dich! Wir sind deine Ritter, deine Vasallen! Du bist unsere hohe, ferne Dame!

Was war denn dann letztendlich das Konzept?

BB: Ganz einfach: Eines meiner Lieblingsgenres ist Prä-Beatles-Girlgroup-Pop, zum Beispiel die Shangri-Las. Da ist diese Hübsche, und die zwei etwas Hässlicheren sind ihre Chorsängerinnen, so ’ne typische Schulhofsituation: Das hübschere Mädchen hat was erlebt am Wochenende, die Hässlichen haben nichts erlebt, wollen aber alles wissen und fragen die im Chor, und dann erzählt sie. Jetzt hatten wir zwar keine Chorsängerinnen für Jasmin, aber ich hab mich gefragt: Was für Geschichten erlebt sie so? Was kann sie erzählen?

Und was ist das?

BB: Naja, es geht natürlich um Selbstbehauptung, aber nicht so ’ne Na-du-Blödmann-verpiß-dich-Selbstbehauptung. Zum Beispiel: Wie verlässt eine Frau ihren Mann? Die Frauen heutzutage, die orchestrieren das, die bereiten das vor, die machen das nicht wie Tic Tac Toe. Ich hab da noch nie ein Lied drüber gehört, wie ’ne moderne Frau sich von ihrem Mann trennt! Darum geht es in „Morgen, wenn ich weg bin“.

Ist es denn, verglichen mit den Blümchen-Jahren, ein tatsächlich spürbarer Unterschied, diese Begemann-Lieder zu singen?

JW: Natürlich. Damals hab ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was mir selbst gefällt. Weil ich es nicht anders gelernt hab und weil das vielleicht die Art war, mich vor dem ganzen Wahnsinn zu schützen, war ich bis Anfang 20 fast wie eine Maschine. Wenn Bernd jetzt sagt: Du bist so professionell! – damals hab ich das als Kompliment empfunden, doch heute höre ich das gar nicht mehr gerne. Als Texter hat Bernd echte Verantwortung für mich übernommen, andererseits ist am Ende alles so geworden, wie es ist, weil ich es ideal finde!

Sie sind im Hamburger Knust ja auch gemeinsam aufgetreten.

BB: Ja, wir haben „Bumerang“ gecovert, mit der Band, in ’ner High-Tempo-Soul-Version. Und das war toll! Besser als die Blümchen-Version!

JW: Ich hab am Ende kaum noch Luft bekommen. Man darf nicht vergessen, daß wir „Bumerang“ da in der Original-Tonlage gespielt haben – und bei Blümchen wurde meine Stimme ja immer drei Halbtöne hochgepitcht… Wir brauchten noch so eine Gelegenheit, irgend ein großes Konzert, ’ne Verleihung… Können wir nicht irgendwie Druck auf die „Echo“-Leute ausüben? (lacht) Und wenn Sie selbst auf Tournee gehen – singen Sie da auch die alten Blümchen-Lieder?

JW: Oh, frühestens in 20 Jahren!

INTERVIEW: JOACHIM HENTSCHEL

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates