Madonna :: MDNA

Es geschieht nicht oft, dass die Feuilletons von FAZ und Süddeutscher Zeitung die exakt gleiche Aufmachung haben. Am Donnerstag war es soweit: Unter kunstvoll verwehtem Haar schaut uns Madonnas linkes Auge an, die Fingerspitzen ihrer linken Hand weisen auf ihren nackten Oberschenkel, der Rest des Körpers ist in eine Art Netzhemdchenschlauch verpackt. Die Süddeutsche druckt das schicke schwarzweiße Promofoto gut anderthalb Zentimeter größer, in der FAZ hat es mehr Tiefe und Kontur.

Anlass des medialen Gleichklangs: Madonnas neues Album „MDNA“ (wahlweise als Anspielung auf Ecstasy oder harmloses Namenswortspiel zu lesen), ihr zwölftes und natürlich ein Ereignis, sowieso. Das Thema liefert die Großkünstlerin bereitwillig frei Haus – ihre redundante Verwendung des Begriffs „Girl“ provoziert vier von fünf Rezensenten zu der Frage, ob sich eine 53-jährige mehrfache Mutter, die heute bestimmt viel mehr Zeit im Badezimmer braucht als vor zwanzig Jahren, überhaupt noch als solches bezeichnen darf. Ach, Gottchen, das In-Würde-Altern-Ding mal wieder, da lacht sich Mick Jagger ins faltige Fäustchen. Die andere Diskussion, die Madonnas neues Album befeuert, ist die nach dem Stand ihrer Relevanz, wo sie halt nicht sonderlich up-to-date klingt, kein Dubstep nirgendwo. Stattdessen reichlich aggressive Böllerdisco, gelegentlich von unspektakulären Midtempo-Songs unterbrochen, ohne die großen Überraschungen und Höhepunkte. Ihr letztes Album „Hard Candy“ war ja auch schon etwas ratlos. Und heute? Klingt sie entschlossener. Ein bisschen desperat zwar, aber wie zur Faust geballt. Erneut hat William Orbit produziert, unterstützt von den Euro-House-Routiniers Martin Solveig und Benny Benassi. Namen, die nicht für Innovation stehen, aber für Kontinuität im Spätwerk der Künstlerin. Das letzte Madonna-Album, das musikalisch überraschte und überzeugte liegt zwölf Jahre zurück, es heißt „Music“ und schon damals sprach man über ihr Alter.

Madonna muss nichts mehr beweisen. Aber was hat sie uns noch zu sagen? Nichts anderes als früher. Es geht einmal mehr um sexuelle Selbstbestimmung, um Materialismus (hier: Bargeld), um Reue und um die Freuden der Tanzfläche. Manchmal gelingen ihr bezaubernd selbstanklagende Momente („I Fucked Up“), manchmal herrlich doofer Euro-Trash („Gang Bang“), manchmal euphorisierter Pop, wie man ihn zuletzt in den 80er Jahren von ihr hörte („Turn Up The Radio“ – he, das gute alte Radio!), und dann wieder brummt und donnert es eher indifferent aus den Boxentürmen – und in den kommenden Tagen auch aus Tausenden Autos, Büros, Küchen. Das ist ganz ok so. Revolutionen finden anderswo statt. Und das Feuilleton darf sich wieder dem Dubstep widmen.

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