Erinnerung an Wolfgang Herrndorf: Plötzlich „Tschick“

Der wunderbare Autor, der mit „Tschick“ einen Jugendroman für die Ewigkeit vorlegte, wäre am 12. Juni 60 Jahre alt geworden.

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Wolfgang Herrndorf hat in seinem Blog „Arbeit und Struktur“  in den letzten drei Jahren seines Lebens über seine Zeit nach der Diagnose eines bösartigen Hirntumors berichtet. Über Operationen und Psychiatrieaufenthalte, Fußballspiele und Schwimmen im Plötzensee, übers Schreiben und die im Krankheitsverlauf zunehmende Schwierigkeit, die richtigen Worte zu finden.

Er wusste, dass seine Zeit begrenzt war, und entschloss sich direkt nach der Diagnose, ein altes, verworfenes, aber schnell fertigzustellendes Romanprojekt zu vollenden.

In kürzester Zeit schrieb und veröffentlichte er die melancholisch-komische Road-Novel „Tschick“, die zum Bestseller wurde. Das kam nicht nur für ihn, den Autor bisher eher mäßig erfolgreicher Bücher wie dem wundervoll lakonischen Coming-of-Middle-Age-Debüt „In Plüschgewittern“ und der klugen Erzählungssammlung „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“, überraschend.

Wolfgang Herrndorf sprach offen über sein Leiden

Die Arbeit half ihm, mit seinem Schicksal fertig zu werden, gab seinen Tagen Struktur. Er rang sich noch einen Roman ab – „Sand“, eine zur Zeit der Olympischen Spiele 1972 in der nordafrikanischen Wüste spielende irrwitzige Agentenklamotte. Meisterlich setzte er hier seine Symptome – die Kopfschmerzen, die epileptischen Anfälle und Gedächtnislücken – als literarische Mittel ein und erhielt dafür später den Preis der Leipziger Buchmesse.

„Man möchte Wolfgang Herrndorf eine Lastwagenladung Sand oben in seine Lebensuhr füllen“, schloss die euphorische Besprechung des Romans seinerzeit im ROLLING STONE. Das letzte Körnchen lief leider durch. Wolfgang Herrndorf wurde nur 48 Jahre alt.