Jethro Tull

„Still Living In The Past“

Parlophone (VÖ: 11.7.)

Raritäten-Sammlung aus der Frühphase der Prog-Band.

ROLLING STONE Badge
Empfehlungen der Redaktion

In den 70er-Jahren träumten alle europäischen Bands von einem Hit in den USA. Ausgerechnet Jethro Tull war dies gelungen, mit ihrem eigentümlichen Mix aus kaleidoskopischem Prog, waldschratigem Folk und Querflöten-Soli. „Locomotive Breath“ hatte 1971 die Radiostationen erobert, das Album„Aqualung“ belegte vordere Charts-Plätze. Ein schneller Nachfolger musste her. Weil die Band um Mastermind Ian Anderson allerdings gerade im Studio tüftelte, entschied man sich für eine Neuveröffentlichung von altem Material. Das Ergebnis war „Living In The Past“, ein Hybrid aus Best-of, Live-Mitschnitt und Zusammenstellung von Outtakes.

Die goldene Ära von Jethro Tull mag vorbei sein, aber man kann ja auch mit Vergangenem seine Freude haben

So entstand eine bruchstückhafte Compilation von Jethro Tulls Frühwerk. Einerseits fanden sich darauf Perlen wie „Wond’ring Again“, eine Coda zur pittoresken Folk-Miniatur „Wond’ring Aloud“ von „Aqualung“. Oder der frenetische Titelsong, der mit tirilierender Leichtigkeit ins Ohr geht. Andererseits barg „Living In The Past“ auch Ödes, wie die bluesige Nichtigkeit „Driving Song“ oder den Doo-Wop-Psych von „Singing All Day“. Kompositionen zum Fremdschämen gleich neben Meisterwerken.

Jetzt erscheint die Sammlung erneut unter dem stimmigen Titel „Still Living In The Past“, zu einer monströsen Deluxe-Edition mit fünf CDs und Blu-ray aufgeblasen. Dabei tritt das Fragmentarische noch deutlicher hervor: Einige der hier enthaltenen Remixe von Steven Wilson waren bereits auf anderen Neuveröffentlichungen zu hören, werden also bloß neu kompiliert. Die goldene Ära von Jethro Tull mag vorbei sein, aber man kann ja auch mit Vergangenem seine Freude haben.

Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 8/2025.