Suede

„Antidepressants“

BMG (VÖ: 5.9.)

Brett Anderson und die Poesie des Zerfalls.

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Menschen werden nicht nur krank, damit sie aus ihren Erfahrungen großartige Songs machen können. Auch wenn es manchmal fast so scheint. „June Rain“ auf „Antidepres­sants“, dem zehnten Studioalbum von Suede, beschwört das Gefühl von Dissoziation: „I’m an alien on the opposite side of the road“, singt der mittlerweile 57-jährige Brett Anderson, dessen Drogenabhängigkeit glücklicherweise schon eine Weile her ist, „the June rain where I hang myself out to dry“, poetisiert er weiter und haucht dem „drying“ mühelos und geschickt eine zweite Ebene ein.

Die Platte liefert die Heilung für all die Schwächen, Süchte, all die menschlichen Tiefpunkte

Die Platte, aufgenommen in bewährter Bandgesellschaft inklusive dem Produzenten Ed Buller, liefert die Heilung für all die Schwächen, Süchte, all die menschlichen Tiefpunkte gleich mit – nicht nur qua Titel. „It’s broken music and it’s broken people/ Who will save the world“, singt Anderson und schafft damit mal wieder eine dieser wahrhaftigen Phrasen, die auch darum zum Weinen rühren, weil Suede selbst vermutlich in ihrer 36-jährigen Karriere einige Tränen verdrückt haben.

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Und nach dem Tränenregen kommt natürlich zaghaft die Sonne – darum geben sich der erste und der letzte Song des Albums die Hand und richten sich gegenseitig auf: „Come down and disintegrate with me/ We’re cut down like the daisies, like the tall poppies“, heißt es so trotzig und hymnisch in „Disintegrate“, während der lange, sich dramaturgisch anständig aufbäumende Rausschmeißer, „Life Is Endless, Life Is A Moment“, in seiner Stadionhaftigkeit fast etwas von U2 hat. Doch weil die Band schon immer besser aussah und Humor einbaute, macht das nichts aus. Zudem werden auch andere Lieblingsmusiker zungengeküsst, etwa Andersons Vater im Geiste David Bowie in „Somewhere Between An Atom And A Star“. Der würde sich im Übrigen geehrt fühlen.

Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 9/2025.