Drake in Berlin: Auf dem Bühnen-Highway ist die Hölle los
Hochamt der Deep Cut Culture. Eindrücke vom deutschen Arena-Marathon des kanadischen Soul-Rap-Superstars
Bereits Mitte August hat Drake in der Kölner Lanxess Arena gespielt, dreimal hintereinander ausverkauft. Gestern (11. 09.) hat sein Konzert-Marathon in Berlin begonnen, in ähnlich eindrucksvollen Dimensionen. Zwar ist zu hören, dass es im Vorverkauf bislang nicht ganz so geschmeidig gelaufen ist. Möglicherweise eine Show zu viel am Standort am Ostbahnhof. Doch das sind Randerscheinungen eines Triumphzuges.
Es folgen die Vielfach-Shows München und Hamburg. Hier sind die Hallen nicht ganz sooo groß dimensioniert. Man liegt nicht falsch, wenn man sagt, dass der kanadische Superstar ordentlich Live-Umsätze eingefahren hat. Bei seinen Gigs im europäischen Ausland lief das „$ome $pecial $hows 4 EU“-Spektakel ebenfalls auf turmhohem Niveau. Eine der Superstar-Konzertreisen des Sommers. Das Fachblatt „Pollstar“ wird bald ermitteln, ob jemand in den letzten Monaten „größer“ als Drake gewesen ist.
Junges Publikum bei Drake in Berlin
Wie anderswo auch, ist das Drake-Publikum in Berlin recht jung. Von Teenagern bis in den höheren Zwanziger-Bereich. Viele darunter im Sexy-Chic-Look, zur späteren Verwendung bei Instagram und TikTok perfekt geeignet. Die Bühnen-Architektur ist spektakulär. Wie eine transluzente Bahn für Eisschnell-Läufer bildet die Drake-Konstruktion einen Innenraum füllenden Loop, auf dem der Meister ständig unterwegs ist. Allein mit dem abgelaufenen Kilometer-Geld könnte er mehrfach schick essen gehen.
Gegen 21:45 Uhr leuchten Scheinwerfer auf den Rang, Jubel brandet auf. Drake erscheint nach einem zeitlichen „Loch“ zwischen WarmUp-Show und dem eigentlichen Auftritt. Er erscheint ohne Theaterdonner bewusst bescheiden auf der Treppenrampe. Keine große Geste, kein Pomp. Er läuft auf der Plexiglas-Eisbahn durch die Menge, als müsse er seinen Platz noch suchen. Drake cruist dabei auf seinem Highway über den Köpfen der Fans, etwa 15.000.
Stillstehen ist für Drake an diesem Abend keine Option. „Ich schulde euch was“, ruft er in Zampano-Manier in die Arena – eine Anspielung auf seine letzte Berlin-Show 2017. Seitdem hat sich viel verändert. Nicht nur die Halle hat zweimal den Namen gewechselt, Drakes Katalog ist seit 2010 immer weiter gewachsen. Die Energie des 39jährigen Mercedes-AMG-Fahrers ist ungebrochen. Er singt alles live, klingt beeindruckend kalt und frisch. Das Publikum übernimmt spätestens ab Song zwei immer in Text sicherer Interpretation.
Nostalgie zum Einstieg
Der Einstieg ist nostalgisch und laid-back. Dann fauchen Flammen, Tempo, Club-Vibes. „Ich bin euer Entertainer, bis ihr mich runterschmeißt“, ruft er Drake tigert über die Piste, redet viel, frei, mal singt er über den Beat hinaus, mal wirkt alles wie ein kontrollierter Freestyle. Das Licht senkt sich, es wird heiß – im wörtlichen wie übertragenen Sinn.
Seine Setlist, die er in Europa gespielt hat, variierte zwischen knapp 50 bis runter zu etwa 30 Live-Versionen, die je nach Lust und Laune nur aus Schnipsel-Montage bestanden. Die Leute in der Halle kommen mit diesen MashUp natürlich klar. Das ist hier kein Rocker, der ein mögliches werkgetreues Klassiker-Programm verformt.
Drake läuft durch die Menge zum DJ, trinkt mit ihm einen Shot, bedankt sich bei der Crew, bei den Securitys – sogar bei den Brezel-Verkäufern. Nahbarkeit ist Trumpf. Selbst wenn diese eine simulierte ist. Die Fans werden durchgehend in einen Vortrag eingebunden. Drake erklärt höflich die Konstruktion dieser Extrem-Bühne, die an beiden Kurz-Seiten jeweils ein Pausen- und Gesangs-Plateau aufweist. Er spiele seine Konzerte vor allem für die Leute in der Mitte (= Stehplätze), verkündet er. Das wären seine originalen Fans, die gelte es einzubinden.
Selbstreflexion, aber auch Mittelfinger
Beim Track „You Broke My Heart“ sollen nicht nur die Drake-Superfans in Berlin ihre Mittelfinger in die Luft schnellen lassen zur Sequenz „Fuck my Ex“. Eine lustige Rhythmus-Gymnastik. Auch schaute bei seinem DJ-Kumpel PartyNextDoor in dessen Kanzel vorbei. Der liefert ein integriertes Mini-Set samt Tänzerinnen, bevor Drake zurückkehrt und einen Parkur mit rund 30 Songs im wahrsten Sinne des Wortes abarbeitet. Viele Turntable-Deck-Effekte, Deep Cuts und frühe Tracks. Weniger Greatest Hits, eine Klassenfahrt durch seine vergleichsweise junge Karriere.
Immer wieder: emotionale Ansagen. Über Therapie. Selbstreflexion. Umarmungen. Irgendwann löst er nach solchen Reflexionen durch abrupten Tempowechsel eine Art Moshpit aus.
Zwölf mehr oder weniger ausverkaufte Deutschland-Gigs vor Augen, eine Bilanz, die er „insane“ nennt, gräbt er noch eine Anekdote aus der Schatztruhe. Er sehr frühe Show vor 30 Leuten in Montreal. Damals hieß es, er solle lieber gleich aufgeben. Nun steht an den Ufern der Spree als Triumphator der Konzertsaison.