Jimmy Kimmel ist zurück. Trumps Angriffe auf den Ersten Verfassungszusatz gehen weiter
Trumps Attacken auf Late-Night-Hosts und Konzernfusionen bedrohen die Meinungsfreiheit – eine düstere „Network“-Prophezeiung.
Ich habe während der Präsidentschaft des wohl verehrtesten republikanischen Idols Ronald Reagan im Late-Night-Fernsehen gearbeitet. Ich weiß also aus erster Hand, wie bizarr es ist, wenn das Weiße Haus Talkshow-Moderatoren schikaniert. Viele der Mitarbeiter bei „Late Night With David Letterman“ waren keine Fans von Reagan oder seiner Politik. Deshalb machten wir regelmäßig satirische Scherze auf seine Kosten. Doch nie kam auch nur die leiseste Beschwerde – weder von Reagans Administration noch von den Konzernstrukturen, die die Sender betrieben, auf denen David Letterman jede Form freier Rede auslebte.
Letterman, Zensur und die Tradition des „Punching Up“
Ich habe einmal ein Segment bei der Letterman-NBC-Show betreut, das „Test the Censors“ hieß. Darin verletzten wir absichtlich, live vor Studiopublikum, jede einzelne Zensurregel der NBC-Abteilung für Standards und Praktiken. Dann baten wir die Zensoren, das Material so zu bearbeiten, dass es sendbar sei – damit das Publikum ihre Arbeit bewerten konnte. Die Zensoren waren wenig begeistert, doch nach einigem Murren spielten sie mit. Das Endprodukt, das das Fernsehpublikum sah, bestand aus den Originalreaktionen des Studiopublikums neben einer Version voller Pieptöne, verpixelter Flächen und X-Balken. (Übrigens: Einer der zensierten Punkte war ein Arzt, der den Satz sprach: „Damit eine Frau einen Orgasmus hat …“ In den 1950ern wurde in I Love Lucy sogar das Wort „schwanger“ gestrichen.)
Also: Warum war es damals anders? In Amerika gehört es zur Tradition, dass Witze über Machtmissbrauch zum Kern der Comedy zählen. Analysiert man die Struktur von Witzen, geht es meist darum, Machtgefälle auszugleichen – den Schwachen eine Stimme zu geben. Das nennt man „Punching up“. „Punching down“ dagegen verspottet die Schwachen, gilt als unlustig und geschmacklos. Ein Beispiel für „Punching down“ zeigte Trump, als er während seiner ersten Amtszeit einen behinderten Mann nachäffte. Oder als er mit seinen Gefolgsleuten „Witze“ über Paul Pelosi machte, der nach einem Angriff eines geistig verwirrten MAGA-Anhängers mit einem Hammer Schädelbrüche erlitt.
Trump, Meinungsfreiheit und Kimmels Suspendierung
Doch das war damals. Heute, seit Trump und seine Projekt-2025-Klientel ihre zweite Amtszeit angetreten haben, sind viele von uns wie gelähmt. Wir beobachten atemlos, wie er den Ersten Verfassungszusatz so umdeutet, dass er nur noch eine Stimme schützt: die synchronisierte Lobpreisung seiner selbst – von seinem Hass auf Gegner bis hin zu endlosen Monologen über seine Liebe zu dem altmodischen Wort „Lebensmittel“.
Darum spürte jeder, der auf Selbstexpression angewiesen ist, sofort den kalten Finger des Sensenmanns im Brustkorb, als die offensichtlich politisch motivierte Suspendierung von Jimmy Kimmel durch ABC/Disney bekannt wurde.
Als Kimmels Rückkehr angekündigt wurde, dachte ich an zwei Dinge: 1) Er muss kaum eine Show vorbereiten, die stehenden Ovationen füllen die Stunde. 2) Wie lange dauert es, bis es wieder passiert?
Medien, Lachen und autoritäre Drohungen
Für viele war das Lachen über Trumps kindisches, narzisstisches Verhalten ein Ventil. Seine unpräsidiale, schockierend ungebildete Parade des Wahnsinns bot zumindest Stoff für Spott. Humor war ein kurzer Ausweg aus dem Stress, zu sehen, wie er die Säulen der Demokratie zerschlägt.
Doch während Reagan auch mal selbstironisch sein konnte, ist Trumps Team zu bedroht von allem, um Humor zu ertragen. Deshalb droht er nun offen, Medienlizenzen zu entziehen, wenn sie ihn kritisieren. Vielleicht glaubt er, die Gründerväter hätten ihn in einer Séance besucht und ihm bestätigt, dass er 234 Jahre später die wahre Bedeutung von „Meinungsfreiheit“ definieren dürfe.
Warum ist das alles so schnell von einem Schneeball zu einer Lawine autoritärer Macht geworden? Einerseits durch die antidemokratische Mehrheit im Supreme Court, die Trump signalisiert, er könne tun, was er wolle. Doch noch mächtiger ist der Schatten der milliardenschweren Medienfusionen, die parallel stattfinden – Deals, die die Zustimmung Trumps erfordern.
Medienfusionen als Waffe gegen freie Rede
Das erste Opfer: Stephen Colbert. Er wurde geopfert, als Paramount Global (Eigentümer von CBS) mit Skydance Media fusionierte. Milliarden flossen in die Taschen von Shari Redstone, während ein neues, unnötiges Konstrukt entstand: „Paramount, A Skydance Corporation“. Für einen Moment träumte ich, Redstone könnte demokratische Ideale haben. Aber ein weiteres Milliardenvermögen wiegt schwerer. Schließlich reicht eine Milliarde heute kaum, um mit dem Sultan von Brunei mitzuhalten, dessen Autosammlung fünf Milliarden wert ist. Da verkauft man die Meinungsfreiheit offenbar lieber gleich mit.
Das zweite Opfer: Jimmy Kimmel. Diesmal im Zuge der 6,2-Milliarden-Dollar-Fusion von Nexstar und Tegna. Zwei Namen, die ich zuvor nie gehört hatte. Doch Ergebnis ist ein Konglomerat von 265 TV-Sendern in 44 Bundesstaaten – genehmigt durch Trump & Co. Und beide planen weiterhin, „Jimmy Kimmel Live!“ nicht auszustrahlen.
„Network“ – ein Film als düstere Vorhersage
Damit sind wir bei „Network“ (1976), dem von Paddy Chayefsky geschriebenen Film, der ihm den Oscar für das beste Originaldrehbuch einbrachte.
Vor kurzem wurde ich für eine HBO-Doku über Chayefsky („Paddy Chayefsky: Collector of Words“, ab 1. Oktober) interviewt und sah Network erstmals seit Jahrzehnten wieder. Ich war fassungslos, wie präzise der Film unsere Gegenwart vorhersagt. Besonders die Szene, in der ein Konzernchef den aufmüpfigen Moderator Howard Beale zurechtweist, weil dieser das Weiße Haus auffordert, eine Netzwerk-Fusion mit saudischen Investoren zu stoppen.
Der Konzernchef sagt: „Sie haben mit den Urkräften der Natur gespielt, Mr. Beale. … Es gibt keine Nationen. Es gibt nur ein einziges, riesiges, multinationales System von Dollars. … Es gibt keine Demokratie. Es gibt nur IBM, ITT, AT&T, DuPont, Dow, Union Carbide und Exxon. Die Welt ist ein Konzern-Kollegium, bestimmt durch die unveränderlichen Gesetze des Geschäfts.“
Eine erschreckende Prophezeiung – und vielleicht der perfekte Workout-Song für Elon Musk und Mark Zuckerberg.
Chayefskys Vermächtnis und unsere Aufgabe
Paddy Chayefsky hat diesen Moment schon vor 50 Jahren gesehen. Hätte er heute geschrieben, hätte er wohl ergänzt: „… und eine kleine internationale Bruderschaft von Milliardärs-Oligarchen, deren Interessen allein zählen.“
Jetzt liegt es an uns, ein gemeinsames, menschlicheres und verfassungstreueres Sequel zu schreiben.
Merrill Markoe ist Emmy-prämierte Comedy-Autorin. Sie Essayistin und Trägerin des Paddy-Chayefsky-Preises der Writers Guild of America West.