Zwischen Macht und Ohnmacht: „Aufsteiger“, eine Geschichte aus einer kranken Medienwelt
Wie Ehrgeiz, Intrigen und Egomanie Lebenswege zerstören: In seinem neuen Roman entwirft Peter Huth ein Sittengemälde des Medienbetriebs – spannend wie ein Thriller
Lügen, Machtgier, Eitelkeit, Illoyalität, Verrat – nicht der Politikbetrieb ist Spielfeld des neuen Romans von Peter Huth, sondern die Medienbranche. Und dort kennt er sich aus: Schließlich war er selbst viele Jahre Chefredakteur bei verschiedenen Zeitungen und arbeitet heute als Unternehmenssprecher. Huth ist also ein Insider, der die Geschichte des gescheiterten Aufsteigers Felix Licht erzählt, als würde er mit Haifischzähnen in ein Schnitzel beißen (im „Borchardt“ natürlich, wo sie alle sitzen, die Mächtigen und Ohnmächtigen der Branche).
Das geht gleich rasant los, im Tempo eines Thrillers: der eloquente, intelligente und natürlich auch machthungrige Vize eines großen Magazins wittert die Chance, zum Chefredakteur berufen zu werden. Alles hat er diesem Ziel untergeordnet, Ehe, Familie, Vergnügen. Chef sein anstelle des Chefs, sein Lebensziel und -sinn. Aber er wird es nicht, der mittelalte weiße Mann. Sondern eine junge, woke Frau.
Über 67 Seiten baut sich eine latent ekelige Spannung auf, bevor Lichts Karriere implodiert. Ekelig, weil das intrigante Spiel um Macht und Einfluss, die tatsächliche Ohnmacht der Strampelnden und die Gleichgültigkeit der Mächtigen unsympathische Antagonisten sind. Der Mächtige, der die Träume des Ehrgeizigen zunichte macht, ist der Verleger Christian Berg, ein millionenschwerer Unternehmer, der sich das Magazin zum Zeitvertreib zugelegt hat, wie einen Hund. Und dessen Frau, Charlotte, wiederum eigene Ambitionen damit verbindet.
Wer will, kann in den beiden das Ehepaar Silke und Holger Friedrich erkennen, die, beide damals neu im Mediengeschäft, vor knapp sechs Jahren die „Berliner Zeitung“ kauften und komplett umkrempelten. Wer will, kann auch ein paar andere Protagonisten der Hauptstadtbühne in dem Roman ausfindig machen. Aber Huths Figuren funktionieren losgelöst von ihren möglichen Vorbildern. Der im vollen Lauf gestoppte Aufsteiger Felix Licht ist die tragische Figur eines leidenschaftlichen Workaholics, den man ebenso gut in einer Schraubenfabrik oder Werbeagentur verorten könnte. Sein Scheitern und die Leere am Tag danach sind universell.
Menschen, die aus der Bahn geworfen werden
Die Enttäuschung, den bodenlosen Fall seines Helden schildert Huth ähnlich intensiv und nahezu physisch erlebbar wie den Herzinfarkt in seinem ersten Roman „Infarkt“. Dieser Fall des Aufsteigers löst eine Kette von Entwicklungen aus, eine Rallye durch die Medienwelt, featuring rechtsradikale Influencer und abgebrühte Anwälte, Spesenritter und Szenelokale, Ehefrust und Ehebruch, Alkoholrausch und Selbstmitleid, spießige Feministinnen und sinnbefreite Strategien. Und, hey, auch ein bisschen Romantik.

„Aufsteiger“ (Droemer Verlag) ist also nah am Berliner Medienmilieu, so präzise wie überspitzt, aber ebenso beklemmend nah am privaten Vorstadt-Milieu seiner Hauptfigur und darin wiederum Huths letztem Roman „Der Honigmann“ vergleichbar, in dem er eindringlich und spannend den Zerfall einer bürgerlichen Idylle beschriebt. Es sind die aus der Bahn Geworfenen, die Einbrüche in abgezirkelte Welten und zerschossenen Lebenswege, die Peter Huth interessieren. Und am Ende die Erkenntnis, dass das Leben mehr als eine Karte bietet, auf die ein Mensch setzen kann: „Felix lag im Bett und wusste plötzlich, wer er war: ein Mann ohne Angst.“
(Transparenzhinweis: Ich bin mit dem Autor des Romans befreundet. Dennoch wollte ich es mir nicht nehmen lassen, sein neues Buch zu empfehlen.)