Voodoo im zweiten Versuch

Dieses Mal soll nichts schiefgehen: Kaum ist die Audienz beendet, setzt der Mann mit dem obligaten Gehstock den Strohhut ab und die Kopfhörer auf. Alternativ-Mixe seines neuen Albums „Anutha Zone“, gerade aus dem Studio eingetroffen, wollen begutachtet werden. Ob er dabei vielleicht an damals denkt?

Anfang der 70er weilte Dr. John bereits einmal in London. Doch die Sessions – mit Jagger, Clapton ua. – erwiesen sich als Enttäuschung. Eine unverkäufliche LP (J’he Sun Moon Herbst wurde veröffentlicht, aber die Kosten fürs geplante Triple-Album hatte Dr. John (alias Mac Rebennack) am Hals.

Den fälligen Scheck könnte er heute problemlos ausstellen. Erstmals steht die 57jährige New-Orleans-Ikone bei einem britischen Major unter Vertrag: Die EMI nämlich will mit ihm das Johnny-Cash-Modell durchziehen: Man nehme einen verdienten, zuletzt aber vergessenen Veteranen und reaktiviere ihn mit hippen Verehrern. In diesem Fall: Paul Weder, Spiritualized, Supergrass sowie Musiker aus dem Umfeld von Portishead und Primal Scream. Dazu Britpop-Papst John Leckie (The Verve, Radiohead) als Produzent.

Die transatlantische Allianz kam Rebennack gerade recht. Anders ab etwa Bonnie Raitt konnte er nicht davon profitieren, daß ihm späte Grammy-Ehren zuteil wurden. „Sometimes I feel like quitting the game“ singt er denn auch in „Voices In My Head“, einem der auffalligsten Songs des neuen Albums.

,Ja“, lacht er, „Business und Musik sind nun mal nicht auf dem gleichen Gleis. Aber wenn du über diese Tatsache zuviel nachdenkst, verlierst du die Musik völlig aus den Augen.“ Der Alptraum beginne dann, wenn man die „Basis des Alltäglichen“ verliere.

Das neue Album rekurriert nicht nur mit Tracks wie John Gris“ und „Ki Ya Gris Gris“ ungeniert auf die Genese der Kunstfigur Dr. John. Damals, 1967, erübrigten seine damaligen Arbeitgeber Sonny 8£ Cher etwas Studiozeit, die Sessionmusiker Rebennack für sein Voodoo-R&B-Album „Gris Gris“ nutzte. „Wir machten eigentlich traditionelle Musik, aber sie wurde von der damaligen psychedelischen Bewegung vereinnahmt Man hielt sie für etwas, was sie nicht war. Es war letztlich ein kapitales Mißverständnis. Aber da alles ein großer Kreislauf ist, interessiert sich heute eben wieder eine junge Generation dafür.“

Einige Tracks von „Anutha Zone“ wurden auch mit den vertrauten US-Musikern eingespielt, um „mehr Zonen zu haben, aus denen ich mich bedienen kann“. Denn es sei etwas völlig anderes, Songs mit Musikern aus New Orleans einzuspielen, „wo Tradition weitergereicht wird“ – und nicht nachempfunden wie in London.

Ob der Trip auf die Insel seine Karriere tatsächlich beflügeln wird, bleibt abzuwarten. Zu seiner persönlichen Revitalisierung hat er gewiß beigetragen, nachdem er die Verluste langjähriger Weggefährten (wie seines Co-Autors Doc Pomus) verkraften mußte. „Wenn solche Menschen plötzlich weg sind, bekommst du’s mit der Angst zu tun. Du suchst unwillkürlich nach neuen Wegen, neuen Fixpunkten. Was natürlich leichter gesagt ab getan ist Trotzdem: Wenn etwas aus deinem Leben verschwindet, das du geliebt hast, mußt du an seiner Stelle etwas Neues pflanzen, etwas, das noch wachsen kann. Du kannst nichts ersetzen. Aber du kannst versuchen, nicht nur der Vergangenheit nachzuhängen.“

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