Nach „Trainspotting“ und „Born Slippy“ müssen Underworld umdenken. Rezept: viel Fisch

Es scheint, als sei die Zukunft bereits vorüber: Die „ravende Gesellschaft“ hat sich ins Exil kleinerer Clubs zurückgezogen. Begriffe wie Techno, Loveparade, Frontpage reihen sich ein, in die verklärte Ahnengalerie früherer popkultureller Beben.

Das Trio Underworld galt in seiner britischen Heimat lange Zeit ab die Inkarnation einer Techno-Band: Zum stampfenden 4/4-Takt ihres Hits „Born Slippy“ grölte man in den Pubs lauthals „Lager, Lager, Lager“. Die Stücke des Albums „Second Toughest In The Infants“ hatten genau die richtige Mixtur aus fordernder Härte und poppiger Komplexität parat, um zu Dauerbrennern in den Diskos zu werden.

„Trainspotting“ und „Born Slippy“ liegen inzwischen fast vier Jahre zurück. Seitdem hat sich Club-Musik stark gewandelt: Der minimalistisch hämmernde Techno-Beat aus Detroit, Frankfurt oder Berlin räumte das Feld zugunsten eines Freestyles zwischen Drum’n’Bass, TripHop und Big Beat Den drei Unterweltlern sind diese Veränderungen sicher nicht entgangen: Darren Emerson ist DJ, die beiden Gründer Rick Smith und Karl Hyde sind Mitbesitzer der Design/Werbeagentur Tomato. Ihnen geht es nicht nur darum, eine gute Platte zu machen, sie wollen auch ein Statement über den Stand der Dinge in Sachen cooler Club-Kultur abgeben. Deshalb war schon vor der Veröffentlichung des neuen Underworld-Albums „Beaucoup Fish“ klar, daß sich am gewohnten Sound etwas ändern würde.

Veränderungen gab es viele in der 16jährigen Zusammenarbeit von Hyde und Smith: Schon 1983 hatten die beiden als Freur einen charmanten, kleinen Elektro-Pop-Hit namens JDoot Doot“. 1988 verwandelten sich Freur in Underworld, damals noch ein dröges Rock-Pop-Quintett („Underneath The Radar“). Das fanden wohl auch die beiden Macher, denn sie trennten sich von ihren Mitmusikern und gründeten 1993 zusammen mit Darren Emerson das Projekt Lemon Interrupt, woraus ein Jahr später die ultimativen Underworld hervorgingen „You’ve come a long way, baby“, würde Norman Cook dazu sagen.

Das 94er „Debüt“-Album „Dubnobasswithmyheadman „wurde vom Melody Maker begeistert gefeiert und mit zwei Schlüsselwerken der jüngeren britischen Pop-Geschichte verglichen: „The Stone Roses „und „Screamadelica “ von Primal Scream. Zu Recht, denn dieses Album wagte Ungewöhnliches, kombinierte kühle elektronische Klänge mit warmen Dub-Bässen und Karl Hydes literarisch ambitioniertem Sprechgesang. „Second Toughest In The Infants „, der wesentlich erfolgreichere Nachfolger, war zwar effektiver in der Umsetzung, aber deutlich weniger innovativ.

Vor diesem Hintergrund durfte man natürlich gespannt sein, auf das 99er-Design der Band, die – gar nicht imagegerecht – in alten Bauernhäusern außerhalb Londons lebt Leider haben es sich Underworld mit „Beaucoup Fish „etwas zu leicht gemacht: „Moaner“ (aus dem Soundtrack zu „Batman und Robin“) bedient die „Born Slippy“-Klientel mit bratzigem Techno-Rock, „King Of Snake“ variiert Giorgio Moroders Bassline für „I Feel Love“, „Winjer“ gibt sich experimentell elektronisch – und so weiter und so fort Underworld mühen sich redlich, die Zersplitterung elektronischer Musik in Subgenres widerzuspiegeln, doch scheitern sie am Spagat zwischen Comic-Crossover ä la Prodigy und avantgardistischen Elektro-Sounds. Zuviel Fisch, nicht genug Fleisch.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates