Disco-Fox braucht dich

New Rave gegen New York, Klaxons vs. LCD Soundsystem: Wenn die zwei besten Dance-Rock-Band der Welt gleichzeitig spielen, muss man sich halt zerteilen

MÜNCHEN. Das ist ein großurbanes Luxusproblem, aber: Wenn an einem Abend in der Stadt gleichzeitig zwei prominente Konzerte stattfinden, benutzt man das eine meist nur als Ausrede, um zum anderen nicht hingehen zu müssen. Oder man bleibt ganz zu Hause, unentschieden und leise vor sich hin dampfend.

Unmöglich ist das am besagten Mittwoch, denn das sieht wie ein bestelltes Quotenduell aus. In der einen Ecke, in Deutschlands bestem Indie-Club hinterm Hofbräuhaus, die Klaxons, die Neon-Kings und Rave-Rock-Zentauren aus London, die jedes Auditorium zu einem blubbernden Brei kochen. In der anderen Ecke, in der Mehrzweckhalle beim Ostbahnhof, LCD Soundsystem, die Disco-Rock-Neptune von New York mit dem näselnden Meister James Murphy, der ein T-Shirt durch Berührung mit dem Kuhglocken-Schlegel cool machen kann. Die zwei Bands, die Party und Kunst versöhnen, psycho-britisch rauschhaft gegen Boheme-amerikanisch clever. Keine Frage. Wir sind beides. Wir müssen zu beiden Konzerten.

KLEINE ELSERHALLE. LCD Sound System, gegen 22 Uhr. Hier sind Leute, die man eher im anderen Konzert vermutet hätte (andersrum wird es nicht so sein). Typische Ausreden der Spaghettiträger und Turnjacken: Klaxons schon in Island gesehen, Klaxons kommen sicher bald wieder, LCD nicht. Trotzdem ein Kapuzenpulli-Konzert, dem man ansieht, dass niemand jemanden knutschen wird, den er nicht schon vorher kannte. Sogar die Band hat keine Unze Sex, was ja nichts Schlechtes sein muss. Das furchterregende Sexyness-Abwärts-Geiälle, dass im Pop zwischen dem Bühne und dem Saal stattfindet, hat die Tanzmusik ja umgedreht. Wasserglasähnliche DJs, scharfe Club-Gäste.

LCD Soundsystem spielen gleich den fantastischen Nörgel-Glamour,.UsV. Them“, bei dem der ungekämmte Murphy den Satz „The time has come today!“ als schöne, leere Versprechung leiernd wiederholt und mit der Keyboard-Frau „Us and them, over and over again“ singt, eine Friedensbotschaft, weil die einen und die ganz anderen so oft in einem Atemzug genannt werden, dass sie am Ende zusammengehören. Die sechs Leute mit den Instrumenten haben eh etwas von einer Hippie-Gruppe, einer Muppets-Studentenverbindung.

So versteht man endlich, wo der berühmte Reißverschluss zwischen Techno und Langhaar-Krautrock verläuft. LCD Soundsystem improvisieren, klingen medizinmännisch monoton und rockfleischig. Wahnsinnig gut. Wie geblendet stehen die Älteren, nur ganz vorne tanzen ein paar. Vor der Halle geht eine junge Dreier-Clique früher heim – weil es ihnen zu laut war! Zeit zum Schauplatzwechsel.

Die Taxifahrerin hat nichts Interessantes zu erzählen.

ATOMIC CAFE. Klaxons, gegen 23 Uhr. Die Leute im gepresst ausverkauften Club merken es vielleicht nicht, der von draußen Hereinplatzende schon: Hier ist eigentlich nichts los. Die Klaxons mit Schlagzeuger vor dem goldenen Vorhang, ohne ihre Neonröhren, kein bisschen sphinxisch – sie spielen ernsthaft ein ganz normales, stumpf verdrahtetes Indierock-Konzert, mit Applaus und dann Stille. Der automatische Remix-Mechanismus in den Zuschauer-Köpfen ist weder durch Euphorie noch durch Drogen stimuliert, ein einsamer Leuchtstab schwingt, da ist offenbar jemand mit Easyjet hinterhergeflogen. Lind die explodieren in England wie eine Götterspeisenbombe? Wenn man von LCD kommt, ist das hier eine schlimme Enttäuschung.

Ein Girl, das von Anfang an da war, erklärt: Die Erwartungshaltung, die Gespanntheit auf die Klaxons sei so spürbar groß gewesen, schon vor Beginn, bei der Vorgruppe, dass beim eigentlichen Konzert davon nicht mehr viel übrig sein konnte. Was am Ende aber nur den Effekt verstärkt, der am langen Dancerock-Abend gut zu sehen war: Dem Publikum das Ausrasten abnehmen, das kann die Band auf der Bühne eh nicht. Der prinzipiell schlumpfigere Ansatz des LCD Soundsystem ist daher günstiger.

Bei der anschließenden Disco im Atomic taut dann doch noch anständig der Frost in der Bratröhre. Klaxons kann der DJ aus Eleganzgründen nicht auflegen, die haben ja schon gespielt. Dafür kommt „House Of Jealous Lovers“ von The Rapture, der Club schwappt über. Hat James Murphy produziert, extra für die jungen Leute.

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