ROLLING STONE hat gewählt: Die Alben des Jahres 2025

ROLLING STONE kürt die besten Alben des Jahres 2025.

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Geese, „Getting Killed“

„In Deutschland sind wir nicht besonders beliebt“, hat Cameron Winter, der 23-jährige Sänger von Geese, dem „Interview“-Magazin neulich erzählt. Man hat ihm einen Artikel weitergeleitet – eine von mir geschriebene euphorische Rezension seines Soloalbums „Heavy Metal“, veröffentlicht in der „Zeit“ – und das Lob hat er sich nicht weiter angeschaut, dafür aber die Beiträge in der Kommentarspalte. „Die waren alle auf sehr kreative Weise gemein. In einem stand: Ich habe neue Musik gefunden, mit der ich meine Kampfhunde quälen kann.“ Das ist doch ein Kompliment! Oder, na ja, verweist immerhin darauf, dass Winters Musik niemanden kaltlässt. Man liebt, was er macht, oder hasst es. Dazwischen scheint es wenig zu geben.

Kein Wunder: Winter singt wie ein Seventies-Rockstar, der gerade in der Waschmaschine geschleudert wurde und sich erst mal wieder fangen muss. Er singt wie ein Jugendpfarrer, der seine Stimme tieferlegt, um 50 Jahre älter zu klingen. Sein Gesang ist ein Ereignis, schräg und charaktervoll, in der Rockgeschichte verankert – welcher junge Indie-Star erinnert mehr an Mick Jagger? – und zugleich zutiefst originell. Aber Winters Band Geese ist mehr als Winter plus Band. Das Quartett – neben Winter Emily Green (Gitarre), Dominic DiGesu (Bass) und Max Bassin (Drums) – ist seit 2016 zusammen, da waren sie alle 13, 14 Jahre alt. Man hört auf „Getting Killed“, dem dritten Geese-Album, also eine Band, die seit fast einem Jahrzehnt zusammenspielt, die groovt und schwingt, rockt und rollt, die zum einen die Energie und Unberechenbarkeit ihrer Jugend zeigt und zum anderen die Fähigkeiten von Veteranen. Wer wissen will, was Rockmusik im Jahr 2025 noch kann, kommt hier einfach nicht vorbei. „Getting Killed“ ist ein lebendiges Wesen, immer in Bewegung, nervös, aufregend, mitreißend.

Der Refrain von „Trinidad“ besteht aus einem gekreischten „THERE’S A BOMB IN MY CAR!!!“ über erratische Perkussion, Bläser-Inferno und Bluesgitarre. Mit diesem Angriff auf die Ohren, der das Album eröffnet, stecken sie gleich zu Beginn das weite Feld ihres Sounds ab. Der wunderschöne Groove des nächsten Songs, „Cobra“, berührt nach diesem wüsten Einstieg gleich noch einmal mehr. Und so könnte man Song für Song weitermachen, alle elf Stücke sind ziemlich großartig. Der kongeniale Partner der Band darf nicht unerwähnt bleiben: Kenny Beats, vor allem als HipHop-Produzent geschätzt, gibt der Band einen modernen, klaren, perkussiven Sound. Dieses Chaos ist eine Collage, bei dem jedes Element seinen Platz hat. Vielleicht leitet jemand Winter ja nun diesen Text weiter. Dann denkt er hoffentlich noch einmal anders über seine Beliebtheit in Deutschland. Wobei ein Typ, der freiwillig Kommentarspalten über sich selbst liest, nach einem Blick auf diese Liste wahrscheinlich nur denken wird: Hm, Platz 3. In Deutschland sind wir einfach nicht beliebt. JJ