Album der Woche: Israel Nash – „Lifted“

Sehnen, Schwelgen, Jubilieren: Israel Nash setzt auf seiner neuen Platte auf wohlklingende kosmische Americana mit üppiger Instrumentierung

Wie hältst du’s mit dem Eskapismus? Diese Frage scheint zurzeit besonders akut zu sein. Ob man das heute überhaupt noch darf: ein bisschen flüchten und so, und wenn’s nur in ein bisschen Musik ist. Die spannendere Frage ist womöglich: Muss, darf, kann Eskapismus immer und nur so klingen, wie es der Wahltexaner aus Missouri hier auf seinem fünften Album mit gewiss tausend Tonnen echter Liebe samt Vor- und Zwischenspiel durchexerziert?

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Beantwortet man diese Frage mit Ja, gibt es wenige andere Künstler, bei denen man sich – durchaus im doppelten Sinne des Wortes – besser aufgehoben fühlen darf. „Lifted“ ist ein dreiviertelstündiges, heuer eher konzentriertes als weit ausholendes Sehnen, Schwelgen, Jubilieren, üppig instrumentiert, melodieverliebt, Harmonies-­besoffen, notgedrungen nostalgisch aufgeladen. Kosmische Americana-Musik also, die zum niedlichen Augsburger-Puppenkiste-Cover passt wie die Songtitel „Rolling On“, „Northwest Stars (Out Of Tacoma)“ oder „Sweet Springs“. Der sämige Country-Rock von „Lucky Ones“ wirkt in diesem Kontext fast schon unanständig aufgekratzt.

Ein wenig wie Digital Detox und Slow Food

Er habe sich jedenfalls, lässt Nash wissen, in einem „meditative ­state of escapism“ befunden, als er „Lifted“ machte, da draußen in seinem Studio mitten im Texas Hill Country. Die vermeintliche Authentizität der künstlerischen Erfahrung konterkariert (oder ergänzt) Nash mit einigen Field-Recordings von seiner Ranch, von John Cage inspiriert im Random-Verfahren integriert. Wir hören Trommeln in Regenwassertanks, Frösche und Grillen, gar eine Klapperschlange. Nein, die hören wir nicht wirklich (raus), aber irgendwo da wird sie schon klappern.

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Zu guter Letzt landet Israel Nash tatsächlich auf „Golden Fleeces“ und fährt noch mal alles auf, was seine kleine Giftküche hergibt, bevor das Album auf einem verzerrten Gitarrensplitter verendet, was nach so viel Wohlklang schon fast irritierend wirkt. „Lifted“ ist das musikalische Äquivalent zu Digital Detox und Slow Food – das wird aber auch nicht weiterhelfen, sofern der Kopf nach dem Genuss gleich nur noch tiefer in den Sand gesteckt wird.

Loose/Rough Trade
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