Alles, was wir bisher über den Mord an Iryna Zarutska wissen

Der Mord an Iryna Zarutska in Charlotte wird von Politik und Medien instrumentalisiert – Fakten, Hintergründe und Debatten im Überblick

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Die 23-jährige ukrainische Geflüchtete Iryna Zarutska wurde am 22. August in Charlotte, North Carolina, in einer Bahn der Lynx Blue Line erstochen. Die Tat, die ohne erkennbares Motiv verübt wurde, hat eine bereits aufgeladene Diskussion über Kriminalität, Rassismus und Sicherheit im öffentlichen Raum noch verschärft. Die Veröffentlichung des Überwachungsvideos am 5. September machte den Fall zum viralen Thema und wurde sofort von politischen Akteuren instrumentalisiert.

Iryna Zarutska: Ein neues Leben in den USA

Die Tat fällt in eine Zeit, in der die Trump-Regierung Nationalgardisten in mehreren Städten einsetzt und der Supreme Court Einwanderungsbeamten grünes Licht für ethnisches Profiling gibt. Damit ist der Mord längst Teil einer politischen Auseinandersetzung, die weit über Charlotte hinausreicht.

Zarutska, 2002 in Kiew geboren, floh 2022 mit ihrer Mutter, Schwester und ihrem Bruder aus dem Krieg in der Ukraine. Laut ihrem Nachruf lernte sie schnell Englisch, studierte am Rowan-Cabarrus Community College und arbeitete in einer Pizzeria, während sie davon träumte, Tierarzthelferin zu werden.

Am Abend ihres Todes trug sie Arbeitskleidung von Zepeddie’s Pizzeria, hörte Musik mit AirPods und scrollte auf ihrem Handy, als der Täter sie nach wenigen Minuten unvermittelt mit einem Taschenmesser attackierte. Sie starb nach drei Stichen, darunter einem in den Hals.

Der Täter: Ein obdachloser Mann mit psychischer Erkrankung

Der Verdächtige, der 34-jährige Decarlos Brown, wurde direkt nach der Tat am nächsten Bahnhof festgenommen. Ihm wird Mord ersten Grades vorgeworfen, außerdem droht ihm eine Bundesstrafe wegen einer tödlichen Tat im öffentlichen Nahverkehr. Donald Trump hat am Mittwoch die Todesstrafe für Brown gefordert.

Brown hat eine lange Vorgeschichte mit Straftaten seit 2011, darunter Raub, Bedrohung und Einbrüche. 2014 wurde er wegen bewaffneten Raubs verurteilt und verbrachte mehr als fünf Jahre im Gefängnis. Seine Mutter hatte ihn nach seiner Entlassung zeitweise aufgenommen, ihn aber wegen seines aggressiven Verhaltens wieder hinausgeworfen. Ärzte diagnostizierten Schizophrenie, doch mehrere Verfahren zur Prüfung seiner Schuldfähigkeit verliefen ohne Ergebnis.

Politische Instrumentalisierung und falsche Narrative

Rechte Kommentatoren und auch Donald Trump selbst nutzen den Fall, um „Law-and-Order“-Politik zu propagieren. Trump veröffentlichte das Foto von Zarutska neben Browns Polizeibild und warf den Demokraten vor, für ihren Tod verantwortlich zu sein. Dabei unterschlägt er, dass aktuelle Kriminalstatistiken in Charlotte sinkende Gewaltdelikte zeigen: Im ersten Halbjahr 2025 gab es 25 Prozent weniger Gewaltverbrechen und fast 30 Prozent weniger Morde als im Vorjahr.

Trotz gegenteiliger Behauptungen zeigt auch die bundesweite Datenlage keinen Anstieg der Mordrate. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, im öffentlichen Nahverkehr Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, laut Studien deutlich geringer als beim Autofahren.

Medien, Rassismus und Propaganda

Rechte Influencer werfen den Medien vor, Zarutskas Fall zu verschweigen. Tatsächlich berichteten lokale Medien sofort, während nationale Schlagzeilen erst nach der Veröffentlichung des Videos folgten. Anders als Fälle wie George Floyd oder Jordan Neely war das Verfahren noch nicht fortgeschritten, sodass weniger Berichterstattung vorlag.

Im Netz nutzten extrem rechte Gruppen die Bilder gezielt für rassistische Hetze. Elon Musk teilte Beiträge, in denen von einem „thuggish black perp“ die Rede war. Andere Nutzer stellten den Fall in den Kontext einer angeblichen Welle von „Black-on-white-Crime“, obwohl FBI-Daten belegen, dass Morde überwiegend innerhalb derselben ethnischen Gruppe stattfinden.

So wird Zarutskas tragischer Tod zum Treibstoff für politische Agitation – und das Leid einer jungen Frau, die vor dem Krieg Schutz suchte, missbraucht, um Ressentiments und autoritäre Politik zu befeuern.

Miles Klee schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil