Am Rhein gedeihen die Elektrobands: KREIDLER aus Düsseldorf oszillieren seit Jahren synthetisch zwischen Nähe und Distanz

Ernsthaft! Es gibt Melodien auf der neuen Platte von Kreidler, die man einer Neuverfilmung von „Winnetou“ als Soundtrack angedeihen lassen möchte. Derart trashy und klebrig süß kann sie sein, die schöne neue Welt der Elektronik, wären da nicht genügend Beats und Loops, die dagegensteuern. Das ist Programm. Die Düsseldorfer Elektroniker haben sich auf ihrem Album „Appearance And The Park“ ein Stück weit in den Pop hinein bewegt, ohne ihre Experimentierlust aufzugeben. Das Ergebnis ist das nächste Highlight auf der rheinischen Elektro-Autobahn, deren Protagonisten derzeit in alle Welt klingen – Air Liquide, Mouse On Mars, Bionaut. Populäres Material für Krautrock-Kompendien, Postrock-Fragestunden, digitale Hysterie.

Kreidler lassen sich jedoch nicht in Szenen eingrenzen und Etiketten verpassen: „Wir sind schon vor der Krautrock-Diskussion entstanden“, sagt DJ Detlef Weinrich. „Damals waren Dub und House gerade das Thema, jetzt ist es Postrock.“ Dem setzen Kreidler ihre Version entgegen, die Klangfarben wie verschiedene Bilder aufeinanderprallen läßt – in Räumen, die für Baß, Schlagzeug, Keyboards, Loops und Sequenzer offen sind. „Wir wollen nicht menschlich klingen“, erklärt Weinrich. „Nur im Knistern am Album-Anfang sind Geschichte, Erinnerung drin.“

Die eigene Geschichte beginnt 1994, als Andreas Reihse (Elektronik), Thomas Klein (Drums) und Stefan Schneider (Baß), deren Band noch Deux Baleines Blanches hieß, Detlef Weinrich alias DJ Sport bei einer Spoken-Word-Performance in Düsseldorf trafen. Mit dem Debüt „Weekend“ (1996) steckten Kreidler ihre Fixpunkte im Elektrouniversum ab: Zwischen Nähe und Einmischung, Abgrenzung und Distanz oszillieren die meisten Tracks. In „Tuesday“, dem Eröffhungsstück des neuen Albums, entsteht über elektronischen Schleifen eine Art Soundtrack mit vagen Assoziationen zu Jazz und Crime. Weinrich fällt dabei der letzte Japanbesuch ein. „Dort hast du beides: Bilder des Glücks und der Bedrohung. In den Parks ist bessere Luft, als man sich vorstellen kann. Es gibt kein Limit bei Farben. Demgegenüber steht unfaßbare, dunkle Macht. Eine Traurigkeit.“

Daß auf einem Album einer Düsseldorfer Band auch eine rudimentäre Erinnerung an Kraftwerk eingespeist ist, sollte als Surplus gelten: Kreidlers Historizismen vollziehen sich auf unspektakulärer, verdunkelter Ebene. „Mein Lieblingsalbum ist ‚Mensch-Maschine'“, so Andreas Reihse. „Sie besitzt Leichtigkeit in den Melodien, ist aber gleichzeitig ganz düster.“ Ihre Hommage an die Elektro-Paten hat den universellen Titel „Good Morning City“ – also genauso viel mit Köln, London, Tokio zu tun: aufstehen, frühstücken und treiben lassen. Die Bilder dazu muß man sich selber besorgen.

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