Antifolk für die Massen

Ausgerechnet Adam Green wird zur Mainstream-Figur.

Auf einmal war er da, dieser lockige Junge mit den neugierigen Augen, der so sanft vom Sex mit Mädchen ohne Beine singen konnte. Der sich wünschte, tot und mit einem Zauberwürfel begraben zu sein. Der Jessica Simpson anflehte, endlich wieder ihre Liebe zu suchen, die irgendwo verloren gegangen sein musste, weil sie in ihren Liedern nirgends zu finden war.

Vor „Friends Of Mine“ hatten nur Antifolk-Experten von Adam Green gehört. Und eigentlich wäre es schön gewesen, wenn der Mann aus New York Insider-Tipp geblieben wäre. Doch dann kam dieses Album, bald war er reif für die „Tagesthemen“, und plötzlich war Skurrilität der neue Mainstream. Heute kann man dieses immer noch sensationelle Album kaum noch anhören, ohne sich über den Hype aufzuregen, der danach stattfand, und der zur Folge hatte, dass Green irgendwann auf deutschen Bühnen so allgegenwärtig war, wie im Kino Katja Riemann und Veronica Ferres zusammen.

Einen etwas anderen bitteren Nachgeschmack hat es, wenn man heute Warren Zevons einzigartiges Abschiedsalbum „The Wind“ hört, das einen Monat vor seinem Tod erschien, oder „Bright Yellow Bright Orange“ von den Go-Betweens, das nach dem Tod von Grant McLennan im Jahr 2006 noch dramatischer klingt als damals.

Auf Elvis Costellos Stilsicherheit war auf „North“ wieder einmal Verlass. Auch Lloyd Coles „Music In A Foreign Language“ und John Cales „Hobo-Sapiens“ gefielen uns. Während sich Rufus Wainwright mit „Want One“ auf den Weg zu dem empfindsamen Songwriter, der er inzwischen ist, machte, konnten Steely Dan mit „Everything Must Go“ zwar überzeugen, aber doch vor allem Kritiker: Platin-Auszeichnungen wie für „Two Against Nature“gab es diesmal nicht.

Die Entdeckung des Jahren waren eindeutig die Kings Of Leon mit „Youth And Young Manhood“, über die Arne Willander damals schrieb: „Das abgebrühteste, eklektischste, lärmigste, unverschämteste, lässigste, anmaßendste, melodischste Debüt seit ,Surfer Rosa'“. Ach ja, und die White Stripes erfanden zur Eröffnung ihres „Elephant“-Albums mit „Seven Nation Army“ das bisher griffigste Gitarrenriff des 21. Jahrhunderts. Ein Grammy für den „besten Rocksong“ war da nur folgerichtig.

Britpop fand nicht wirklich statt in diesem Jahr. Blur überwanden ihn jedenfalls mit „Think Tank“, wussten dann aber auch nicht mehr so recht weiter. The Coral mit „Magic And Medicine“, Travis mit „12 Memories“ und Starsailor mit „Silence Is Easy“ bewegten sich abseits von Trends, während es uns Radiohead mit dem entrückten „Hail To The Thief mal wieder ein bisschen schwer machten.

2003 war aber auch das Jahr, in dem in Deutschland die Castingshows die Hitparaden in Beschlag nahmen. Passend zum Boom löste „Deutschland sucht den Superstar-Juror Dieter Bohlen endlich Modern Talking auf – er hatte fortan Wichtigeres zu tun. Zwar schaffte es das Wir sind Helden-Debüt „Die Reklamation“ nicht auf einen der oberen Plätze der Kritikercharts, verkaufte sich aber immerhin 800 000 Mal. Die anderen hörten lieber Blumfelds vorletztes Album „Jenseits von Jedem“, Patrick Wagners letztes Surrogat-Album „Hell in Hell“ oder Kraftwerks „Tour de France Soundtracks“.

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