Antony & The Johnsons – Berlin, Admiralspalast

Nicht alles überzeugte bei dem ersehnten Konzert

Herrje, war das ein Trubel: vorm, im und um den Admiralspalast. Selbst Grönemeyer war da. Telekom-Chef Rene Obermann und Maybritt Illner hatten offenbar weniger Glück, sie mussten auf das Antony-Konzert in der Frankfurter Alten Oper ausweichen. Man sieht: Schönheit zahlt sich aus. In diesem Fall die der schönen Seele, die man seit David Lynchs „The Elephant Man“ gern in den irgendwie unpassenden Körpern von Außenseitern vermutet. Der klare Vorteil von Antony Hegarty: Seine schöne Seele artikuliert sich mit einer Stimme, die selbst Steine zum Weinen bringt. Und es war wohl dieses Bedürfnis, sich auf hohem Niveau mal wieder so richtig schön rühren zu lassen, das die Berliner in den bereits Wochen vorher ausverkauften Admiralspalast trieb.

Doch leider war früher manches besser. Zumindest das Konzert, dass Antony & The Johnsons nach der Veröffentlichung von “ I’m A Bird Now“ im Hamburger Thalia Theater spielten. Ein strenger, kammermusikalischer Liederabend – und genau deshalb so beglückend schön. Im Admiralspalast dagegen gibt es kein Streichquartett, sondern eine Art Tanz-Combo – den Schlagzeuger hätte man in New York lassen können. Und der Gitarrist überrascht einmal mit einem Solo, wie man es so abgewichst seit der letzten Abschiedstour von Tina Turner nicht mehr gehört hat.

Aber reden wir von den schönen Dingen, die an diesem Abend passieren: ,J Fell In Love With A Dead Boy“, 2001 als Single veröffentlicht, ist genau das, weshalb man gekommen ist: eine im fahlen Mondlicht entblößte Halsschlagader, Lust als reinste Form der Liebe, Jean Cocteau als Torch-Song. Und dann, wer könnte die Wonnen beschreiben: „The Cripple And The Starfish“ vom elf Jahre alten Debütalbum. Beide Lieder sind live selten zu hören, um so größer war die Freude. „Shake That Devil“ ist aus anderen Gründen ein Höhepunkt: Hier (und bei „Kiss My Name“) ist der Schlagzeuger ausnahmsweise angebracht, weil alles in diesem komischen Jazz-Stück – oder ist es ein Blues? – in Bewegung ist, zappelt und stampft. Antony hält sich, trotz seines atemberaubend perfekten Gesangs, im Schatten des linken Bühnenrands hinter seinem Konzertflügel versteckt. Einen „Talk to us, Antony“-Zwischenruf überhört der Künstler dezent. Das seltsam spröde und eigentlich ziemlich doofe Strichmuster im Hintergrund erinnert vage an das letzte Metallica-Cover. Bei „Hope Mountain“ ist die Stille im Saal fast unerträglich — aber angebracht: Unendlich leise, zart und sacht feiert dieses Lied die Wiedergeburt von Jesus – als Mädchen. Das sind natürlich auch die Momente, da man im Publikum nach Taschentüchern gräbt und damit dezent etwaige Feuchtgebiete trocken zu wischen. Als Antony nach der Zugabe noch einmal allein auf die Bühne kommt, um mit den Berlinern ätherische Summtöne zu singen, ist man sowieso bereit, ihm alles, wirklich alles zu verzeihen.

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