Arcade Fire sind zu einer irdischen Band geschrumpft
Die Entwicklung deutete sich zaghaft bereits auf „Everything Now“ an und ist auf „Pink Elephant“ unüberhörbar.

Die große Geste gehört bei Arcade Fire einfach dazu. Doch was ist, wenn sich das Pathos abgenutzt hat? Die Band um Sänger Win Butler leidet ein wenig daran, dass ihnen seit „Everything Now“ die ganz großen Ideen ausgegangen sind.
Natürlich, da gab es noch eine schwärmerische Lead-Single, frische ABBA-Vibes („Put Your Money On Me“), aber eben auch „Infinite Content“ und eine furchtbar dümmliche PR-Kampagne vor Veröffentlichung. „WE“ hatte noch seine Momente, aber schon keine dieser Hymnen mehr, die Arcade Fire einst zu Pitchfork-Lieblingen und zum offiziellen U2-Nachfolger machten.
Dann flüchtete Will Butler und sein Bruder Win wurde – ausgerechnet nach einer erschütternd zu lesenden Recherche von Pitchfork – zu einem MeToo-Fall. Die Kanadier hätten ihre neue Platte gar nicht „Pink Elephant“ nennen müssen, um darauf hinzuweisen, dass der Elefant nun mal im Raum steht. Butler leistete Abbitte (und betonte mit Hilfe einer Anwaltskanzlei, dass sein sexuelles Fehlverhalten mit jungen weiblichen Fans in der Vergangenheit nicht strafrechlich relevant gewesen sei), seine Frau verzieh ihm öffentlich. Aber die neuen Songs wirken nun alle wie verstrahlt.
Arcade Fire fehlt ein wenig der Spirit früherer Tage
Mehrdeutigkeiten wie im durchaus passablen Titellied („Take your mind off me a little while/In the darkest place I saw you smile/And the way it all changed/Makes me wanna cry, but/Take your mind off me, yeah“) wirken wie verzweifelte Versuche, mit einem Thema künstlerisch souverän umzugehen, das sich für ein Kunstwerk einfach nicht eignet. Zumindest nicht für die Form, die Arcade Fire wählen können.
Die fällt nun einmal, es ist für jeden hörbar, vielfach flacher aus als auf den großen Alben der Band. Das ist nicht die Schuld von Daniel Lanois, genauso wenig wie man Thomas Bangalter (Daft Punk) und Steve Mackey (Pulp) bei „Everything Now“ vorwerfen kann, einen schlechten Job gemacht zu haben.
Arcade Fire gelingt es derzeit nicht mehr, kleine Dinge unerhört und große Dinge spirituell aufgeladen klingen zu lassen. Ihr Panorama-Rock mit Synth-Elementen erzwingt keine emotionale Beteiligung und wirkt in den schlechtesten Fällen („Alien Nation“) richtungslos. Sicher, es gibt auch einige für die Band neue Feldversuche, darunter der countryesk verbogene Indie-Rock-Reißer „Stuck In My Head“ und mehrere strubbelige Instrumentals. Allein, sie können für sich keine Originalität behaupten.
Vorsichtig könnte man sagen, dass Arcade Fire das Momentum verloren gegangen ist. Das ist nicht schlimm, das geht selbst den besten Bands irgendwann so. Bereits in der seltsamen Doku „The Reflektor Tapes“ musste man den Kopf schütteln, wie die Musiker zu Schwarz-Weiß-Szenen am Strand altklug über Kierkegaard und Nietzsche als Inspirationen palaverten. Intellektuelle waren Arcade Fire doch nie, aber kluge Musiker.
Zeilen wie „Every spark of friendship and love will die without a home“ („Interventiion“, aus „Neon Bible“) wirkten früher wie fürs Poesiealbum gemacht und rührten ans Herz. Sie waren nicht zwangsläufig intelligenter als nun etwa „It’s the year of the snake/So let your heart break“. Aber es steckte eine Aura darin, ein Die-Welt-umarmen-Wollen, das in den letzten Jahren einfach abhanden gekommen ist. Arcade Fire sind eine irdische Band geworden.