Arctic Monkeys in Berlin: eine Prise Schweinerock gehört zum Erwachsenwerden dazu

Die Arctic Monkeys stellen die bestmögliche Mutation eines typischen britischen Hypes zu einer modernen Rockband dar. Vom jungen Prickelwein zum gehaltvollen Tropfen innerhalb eines Jahrzehnts – das gelingt heute nur noch einer handvoll Bands.

Kein Räuspern, kein Krächzen in der Stimme. Die Kehlkopfentzündung von Sänger Alex Turner, der sich jeden Kommentar zum ersatzlos gestrichenen Konzert in Offenbach sparte, schien gut verheilt. Halt eine kleine Schwäche im Mammut-Liveprogramm mit über 70 Konzerten in Europa und Nordamerika. Nicht weiter der Rede wert; was soll’s!? Dementsprechend schnörkellos läutet pünktlich um Viertel nach neun das trockene Hämmern der Drums zu „Do I Wanna Know“ ihr Tour-Programm zum „A M“-Album ein.

Das markante Gitarrenriff brettert los und unter dem tosenden Applaus in der ausverkauften Berliner C-Halle stellen sich Turner und Co schnittig in Position. Es ist frappierend mitzusehen, wie sehr doch diese ehemaligen Sheffielder Indieboys ihrer Vision eines zeitlosen Rocks amerikanischer Prägung verfallen sind. Allen voran der gereifte Posterboy Alex Turner, der mit „Bumfreezer“-Lederjacke und Schmalzlocke alle Vorläufer von Gene Vincent bis Chris Spedding ausführlich studiert hat. Doch es geht nicht allein um gekonnte Posen bei den Arctic Monkeys. Ihr ernsthaftes Bemühen um einen Reifeprozess läuft eben über das Wechselspiel von hüpfender Indie-Party-Stimmung mit „Dancing Shoes“ zur Midtempo-Strecke rings um die neuen Stücke wie „Fireside“. Die britischen Midlands treffen auf Midwestern America. Zwar verweist der „0114“-Schriftzug (die Vorwahlnummer von Sheffield) auf der Bassdrum von Schlagzeuger Matt Helders und die von einigen Fans geschwenkten „English-Rose“-Flaggen trotzig auf ihre Wurzeln. Doch das musikalische Credo, nicht nur auf der Bühne, schwebt längst über den konkreten Orten und Zeiten.

Ganz die Profi-Entertainer setzen sie in dieser Kombination aus Biografie und Stilbaukasten immer wieder gezielte Reize durch Tempowechsel. Etwa, wenn das zackige „Brainstorm“ als nachgeschobenes Auftaktstück oder mittendrin der Klassiker „I Bet You Look Good On the Dancefloor“ die getragenen Phasen wegkontern. Zuweilen lassen sie auch wie in „Pretty Visitors“ gehörig die Saiten jaulen. Eine Prise Schweinerock gehört eben dazu beim Erwachsenwerden vor großem Publikum. Die Arctic Monkeys haben in dieser Mixtur eine schwingende Sexyness gefunden, der ihre ökonomisch durchgespielten 90 Minuten zu einem kurzweiligen Ritt werden lässt. Letztlich verzichten sie auf die ganz große Exstase und das totale Auspowern. Der Tourbetrieb sitzt auch ihnen im Nacken. Als die mit Nachdruck rausgejubelte Zugabe mit „Snap Out of It“, dem halbakustischen „Mardy Bum“ und einem versöhnlichen „R U Mine“ ausklingt, haben wir die bestmögliche Mutation eines typischen britischen Hypes zu einer modernen Rockband erlebt. Vom jungen Prickelwein zum gehaltvollen Tropfen innerhalb eines Jahrzehnts – das gelingt heute in internationalen Dimensionen nur noch einer handvoll Bands.

Setlist:

Do I Wanna Know?
Brianstorm
Dancing Shoes
Don’t Sit Down ‚Cause I’ve Moved Your Chair
Teddy Picker
Crying Lightning
One For The Road
Fireside
Reckless Serenade
Old Yellow Bricks
Why’d You Only Call Me When You’re High?
Arabella
Pretty Visitors
I Bet You Look Good on the Dancefloor
Cornerstone
No. 1 Party Anthem
Fluorescent Adolescent
I Wanna Be Yours

Zugaben:

Snap Out of It
Mardy Bum
R U Mine?  

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