BADLY DRAWN BOY lebt an der Bar und singt von den Gefühlen, über die man da nicht spricht – weil die ja irgendwo hin müssen. Kein Grund, ihn komisch zu finden

Man muss sich erstmal vergegenwärtigen, dass Badly Drawn Boy die Mütze wirklich immer trägt. Dass sie nicht unter die Kategorie Clownskostüm fällt, sondern unter „“unverändliche Kennzeichen“ (wie, sagen wir, der komische Leberfleck von Peter Maffay). Anders als im wahren Leben haben es extrovertierte Menschen, die beispielsweise lustige Kleidungsstücke anhaben, im anspruchsvollen Sprengel des Popgeschäftes ja schwerer als die introvertierten. Weil sie nicht ernst genommen werden. Der Sänger klemmt sich beim Singen die Zigarette zwischen die Schneidezähne, er verteilt Blumen an die Frauen im Publikum, und ins nächste Konzert kommen die Leute dann, weil sie gehört haben, der Mann sei so furchtbar originell. Die bizarren Vierspur-Dudeleien seiner Anfangszeit haben das Problem dicker gemacht: Badly Drawn Boy weiß, dass viele denken, er sei sowas wie ein Komiker.

Badly Drawn Boy, eigentlich Dämon Gough, 32 Jahre, aus Manchester, ist offiziell freilich längst geadelt worden für seine Liedschreibekunst.

Er hat den viel beachteten britischen „“Mercury Music Prize“ bekommen für sein Troubadour-Pop-Album „“The Hour Of Bewilderbeast“ (2000), er hat die Royal Albert Hall bespielt wie kurz darauf der heilige Robert Williams, er hat den Hollywood-Soundtrack „About A Boy“ für Hugh Grant geschrieben. Aber wie das Publikum seine Musik wahrnimmt und einschätzt das ist in der Regel gefiltert durch die speckige Mütze. Zum Beispiel: Vor zwei Jahren ging Damon Gough auf Japan-Tournee. Als er gerade für 13 Stunden Flug in die Maschine steigen wollte, rief ihn seine Freundin an, die hochschwanger war mit dem ersten Kind der beiden. „Sie war völlig verzweifelt, eben war ihre Großmutter gestorben. Sie hatte sich so gewünscht, dass sie unser Baby noch sehen würde. Ich flog nach Japan mit diesem Gefühl im Hinterkopf, und anstatt ganz professionell zu sein und das wegzuschieben, erwischte ich mich dabei, wie ich Hunderten von Japanern von der Bühne herunter von meinem Schmerz erzählte, vor lauter Arger die Verstärker aufdrehte und sehr aggressiv spielte. Die Leute hatten etwas völlig anderes erwartet. Ich bekam ganz schlechte Kritiken.“ Ein aufrichtiger Tag für einen musikalischen Naturbuben. Für einen Komiker wär’s ein Versager-Tag gewesen, denn weinende Clowns gibt es nur an den Wänden von Mädchenzimmern.

Dämon Gough gehört zu den Menschen, die sich unvorstellbar schnell anwärmen an völlig fremde Gesprächspartner. Ein Ausgeher, ein soziales Wesen, der unbekannte Dritte in spontanen Pub-Skatturnieren. Und er redet wie gedruckt, liest einem selbst die komplexeren Fragen aus den Augen, bevor man sie stellt. Die Frage, wie das denn nun funktioniert, dass ein Saufbruder und Schulterklopfer so metaphernstarke, herzblutende Songtexte schreibt, für die ihn die Kumpels am Billardtisch auslachen würden. „“Diese Arbeit als Musiker und Songschreiber und Performer, die kann ich nur tun, solange diese Dinge eine Bedeutung haben. Wenn sie nichts mehr bedeuten, muss ich aufhören und nach Hause zu meiner Familie gehen, denn die bedeutet auf jeden Fall etwas für mich. Nur deshalb ist so etwas wie Ehrlichkeit für mich wichtig. Die Leute fragen oft: Wie kannst du diese schönen Songs schreiben? Wir sehen das nicht in dir! Ich drehe das dann um: Und warum seht ihr das nicht? Warum seht ihr meine gute Seite nicht?“ Manchmal geht das, da sind die Zuhörer so still, dass Damon Gough schon geglaubt hat, es gefalle ihnen nicht. „Respekt“ nennt er das im Nachhinein. Bei einem anderen Konzert haben sie ihn von der Bühne gebuht, weil er so betrunken war. Den Grund hat er wohl vergessen, aber es gab einen.

Die Spannung bildet sich auch in Goughs Leben ab, allerdings als das typische Popstar-Problem, das Hin und Her zwischen Familienvaterschaft (Kind Nummer zwei ist längst da) und öffentlicher Person – dass er noch kein so großer Popstar ist, macht in dem Fall keinen Unterschied. Für sein drittes Album „“Have You Fed The Fish?“ hat er ein Lied darübVer geschrieben, „Yo“U Were Right“, sein klarstes und bestes überhaupt. „“I was busy finding answers while you just got on with real life“, singt er, an die Freundin gerichtet, „and songs are never quite the answer, just a Soundtrack to our life“. Ein Gipfel an beschämender Sentimentalität, aufmunternd und zum Heulen, ein feierlich arrangierter Show-Schlager, den man nach dem ersten Hören nie mehr verliert.

„“A Soundtrack to our life“: Das Songwriting sei für ihn eine Welt der Neubewertung von Tatsachen, sagt Badly Drawn Boy, eine Welt, in der die Dinge ihren Kontext bekommen. Und: „Eine Welt, in der das Leben so ist, wie es sein soll, aber nie wirklich ist „“Have You Fed The Fish?“ ist wie ein Musical aufgebaut, wie die große Kunst der Illusion, extrem high fidelity. Der Mützenträger unter glitzernden Lichtern, Kette rauchend, mit nicht glitzernder Lebenspraxis. Die Rache des Vierspurrekorders an Las Vegas. Fragen Sie mal Kulturhistoriker, warum Frank Sinatra ein so moderner Star war, ohne jemals ironische Musik gemacht zu haben. Die Ergebnisse ähneln sich.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates