Bart des Propheten

Für seine Songs bedient sich Sam Beam alias Iron & Wine beim Pop der Siebziger aus dem Plattenregal der Eltern – und bei der Bibel.

Das Leben als Ansammlung vergangener Momente: Vieles auf dem neuen Album von Sam Beam alias Iron & Wine handelt von der Erinnerung. Wie wird aus den Bruchstücken der eigenen Biografie eine konzise Erzählung? Beam hat eine nostalgische Platte gemacht, mit Musik, die ihn an die Plattensammlung seiner Eltern erinnert. Doch die Verweise auf Fleetwood Mac, 10cc und Barclay James Harvest (sic!) machen aus „Kiss Each Other Clean“ keine Revisionistenplatte; zu modern ist Beams Eklektizismus, den er sich vor allem mit dem letzten Werk („The Shepherd’s Dog“ von 2007) erarbeitet hat, zu vielschichtig die Verweise, zu unlinear die Arrangements und Instrumentierungen.

Die Erinnerung steckt zudem nicht nur in den Akkorden, sondern auch in den Worten. Hier ist jemand durch die Welt gewandert und erzählt von seinen Erlebnissen, dort sitzt ein amerikanischer Jugendlicher mit seiner Freundin unten am Fluss. „Sich zu erinnern ist doch ein sehr wichtiger Teil des Lebens“, erklärt Beam. „Wie man seine Vorstellung von der Zukunft formt und wie man mit der Gegenwart klarkommt, hat damit zu tun, wie man seine Erinnerungen versteht und verdichtet. Zu einer Lehrstunde über das Leben vielleicht, zu einem sentimentalen Gefühl oder zu etwas, das einen vor Verletzung schützt.“

Kann man die Puzzleteile des eigenen Lebens eigentlich zu einem stimmigen Bild zusammensetzen? Beam jedenfalls nicht. „Ich weiß ja nicht mal, worum es in meinen Songs geht, während ich sie schreibe“ sagt der Künstler. „Ich arbeite einfach immer weiter, Entwurf für Entwurf, bis etwas erkennbar wird. Es geht dabei eher um die nächste Version als um Inspiration. Inspiration ist ein komischer Vogel, er kommt nur sehr selten vorbei.“ Vielleicht nicht ganz so selten: „Kiss Each Other Clean“ ist eine schöne Platte, die die Kunst des bärtigen Barden weiter ausbuchstabiert. Mit tollen Kompositionen, der gewohnt kryptischen Lyrik und guten Performances der beteiligten Musiker.

Während Sie früher mehr oder minder allein arbeiteten, haben Sie auf diesem Album wieder eine ganze Reihe verschiedener Musiker mitspielen lassen. Genügen Sie sich selbst nicht mehr?

Das könnte man so sagen. Es fällt mir mittlerweile schwer, mich selbst zu überraschen, deshalb hole ich mir Leute ins Studio, die das für mich tun (lacht). Zum Beispiel bei dem Song „Me And Lazarus“: Bevor dieses jazzige Saxofon-Solo drauf war, klang das Lied jamaikanisch, wie von Eddy Grant oder so.

Eddy Grant als Einfluss für ein Lied, das ist selten!

Yeah, man. „Electric Avenue“! (lacht) Ich liebe den Song, seit ich ein kleiner Junge war. Die ganze Platte ist für mich sehr nostalgisch. Viel von dem, was ich in die Musik gepackt habe, kommt direkt aus der Plattensammlung meiner Eltern, aus den frühen Siebzigern. Als ein guter Freund von mir die Platte hörte, sagte er, Mann, ich fühle mich, als säße ich im Auto meiner Eltern. Für mich war das ein Kompliment.

Hatten Sie das vor: eine Platte machen, die Sie an früher erinnert?

Nein, ich hatte keinen Plan. Wenn es Zeit wird, ein Album zu machen, gucke ich in meine Tüte und sehe, was da ist. Welche Lieder sind gerade fertig, welche könnten im Studio interessant sein, welche passen gut zusammen? So funktioniert das, also hat man es schwer mit Albumtiteln.

In den Texten zu den neuen Songs gibt es wieder viele Verweise auf die Bibel. Sind Sie ein religiöser Mensch?

Nein, aber ich bin in einem religiösen Umfeld aufgewachsen. Ich kenne all die biblischen Charaktere. Jeder versteht diese Figuren.

Gerade ist Sam Beam mit seiner Familie umgezogen, näher an Austin heran. Ein weiteres Kind wurde geboren, das neue Haus musste renoviert werden. Das Musikerdasein betrachte er als Job: Die Kinder zur Schule bringen, dann geht es los.

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