beam me up Ben!

Als er Captain Kirk spielte, hat niemand van William Shatner erwartet, dass Er wirklich ein Raumschiff steuern kann, Warum also mit dem Singen anfangen, nur weil er mal wieder eine Schallplatte aufnimmt? Zumal Shatner mit Songwriting-Partner Ben Folds und Gästen wie Aimee Mann, Henry Rollins und Joe Jacksnn diesmal exzellentes Personal an Bord hat.

Es gibt ein paar Dinge, die muss man seinen Fans immer und immer wieder sagen: „Ich bin nicht der Kommandant einer Sternenflotte. Ich lebe nicht auf Raumschiff NCC-170 und besitze auch keinen Phaser. Keiner meiner Freunde heißt Pille, Sulu oder Spock. Und ich hatte auch noch nie Sex mit kleinen grünen Männchen, obwohl das bestimmt ganz unterhaltsam wäre. Ich spreche Englisch und Französisch nicht Klingonisch! Ich trinke ‚Labatt’s‘, kein Romulanisches Bier! Und wenn zu mir jemand sagt: ‚Live long and prosper‘, antworte ich mit Sicherheit: ‚Get a life‘. Der Name meines Arztes ist nicht McCoy, sondern Ginsberg. Tribbles waren Puppen, keine echten Tiere. Puppen! Und wenn ich spreche, rede ich niemals, absolut niemals, so als wäre jedes. Wort. Ein. Eigener. Satz. Ja, ich bin in Galaxien vorgedrungen, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat – aber das war damals in Mexiko, und ihr Vater hat es mir erlaubt! Mein Name ist William Shatner und ich bin Kanadier.“

In der Comedy-Sendung „Just For Laughs“ konnte sich William Shatner den ganzen Ärger mit den doofen Trekkies endlich einmal von der Seele reden. Das war notwendig, denn der Ruhm des Captain James T. Kirk klebt an ihm wie der schleimige Glibber eines Außerirdischen. Seit fast 40 Jahren kann man Shatner im Fernsehen beobachten, wie er von Scotty in einer Art Schlafanzug auf fremde Planeten gebeamt wird oder auf der Brücke der Enterprise außerirdische Attacken abwehrt. Die Original-TV-Serie „Star Trek“ wurde zwischen 1966 und 1969 gedreht, doch Wiederholungen, Kinofilme, Bücher und eine aktuelle DVD-Box geben dem Vergessen keine Chance: William Shatner ist mindestens so sehr dazu verdammt, Captain Kirk zu sein wie Larry Hagman J.R. Ewing.

So etwas ist natürlich schlecht fürs Ego. Und unser Mann hat ein ausgesprochen großes Ego. Dem 73-Jährigen wurde zwar gerade erst ein „Emmy“

verliehen, als „Outstanding Guest Actor in a Drama Series“, für die Verkörperung des Rechtsanwaltes Danny Crane in der TV-Serie „The Practice“. Doch wie die meisten Zeitgenossen möchte auch William Shatner um seiner selbst Willen geliebt werden. Sich erklären, Humor, Gefühl und Nachdenklichkeit beweisen. Und was wäre dafür geeigneter als ein Sträußchen persönlicher Songs? Gepflanzt, gepflückt und gebunden – um im Bild zu bleiben – hat es kein Geringerer als Ben Folds. Die Wege der beiden unterschiedlichen Männer hatten sich bereits 1998 gekreuzt, als Shatner auf Folds‘ Album „Fear Of Pop, Volume 1“ ein paar Strophen knurrte. Einige Zeit später sah man die beiden gemeinsam in einem Werbespot der Firma „Priceline“. Eine Freundschaft entwickelte sich: „Was ich an Ben am meisten mag – mal abgesehen davon, dass ich ihn als Mensch schätze und seine Familie liebe -, ist seine Vorstellungskraft. Er ist so kreativ! Wir haben zwei Wochen zusammen im Studio verbracht Ich gab ihm meine Texte, dann setzte er sich ans Piano und begann herumzuklimpern. Er spielte einfach ein paar Töne, und der musikalische Zug erreichte den Bahnhof. Ich lud meine Notizen, Ideen und Worte ab, und plötzlich war alles da. Für mich ist Musik eine Fremdsprache. Ich staune über dieses mysteriöse Ding, das da unmittelbar vor mir geschieht..“ Shatner redet tatsächlich oft so wie der unsynchronisierte Captain Kirk. Er. Zögert. Beim. Sprechen.

„Has Been“, der Titel des Albums, klingt nach Selbstironie, doch eigentlich meint Shatner es ziemlich ernst: „Auf dem Weg nach Nashville, wo das Album entstand, habe ich meinen Namen in einer Boulevard-Zeitung gelesen. Der Autor nannte mich einen hasbeen. Dieser Begriff hat mich schon immer genervt Das sieht ja so aus, als hätte man etwas Schlimmes getan, nur weil man nicht mehr so populär ist wie früher. Als hätte man einen argen Fehler gemacht oder ein schweres Verbrechen begangen, nur weil man sich verändert hat. Dabei war jeder hasbeen einmal ein once-was.“

Der gleichnamige Titelsong ist trotz knurriger Untertöne ein großer Spaß. Ein brillantes Cowboylied, in dem Shatner alle Spötter verhöhnt, die es wagen, ihn einen has been zu nennen: „Riding on their armchairs/ They dream of wealth and fame/ Fear is their companion/ Nintendo is their game“. Gut gegeben, Space-Commander. Auch der Rest der Platte genügt hohen musikalischen Ansprüchen. Ein eleganter, dezent Sixties-affiner Liederzyklus, der schon mal nach den ungewöhnlichen spoken word-Aufnahmen von Ken Nordine klingt, meist aber die unverwechselbare Handschrift Ben Folds‘ trägt. Initiiert wurde das Projekt letztes Jahr von den Foos Brothers, den ehemaligen Betreibern des Rhino-Labels: „Sie waren diejenigen, die die ‚Golden Throat‘-Plattenserie starteten, die sich einen Spaß mit singenden Schauspielern erlaubte. Das gefiel den Leuten, deshalb kamen die Foos zu mir und sagten: ‚Wir haben ein neues Label gegründet, Shout Factory, und hätten gerne, dass du für uns eine Platte aufnimmst. Als ich ihnen vorschlug, die Platte zusammen mit Ben Folds zu machen, waren sie erst einmal sprachlos.“

Vermutlich vor Glück. „The Transformed Man“, William Shatners erstes Album, genießt seit 36 Jahren den legendären Ruf, so bizarr schlecht zu sein, dass es schon wieder Spaß macht. George Qooney wählte das Werk als „Platte für die einsame Insel“, mit der Begründung: „Wenn man ‚Lucy In The Sky With Diamonds‘ hört, möchte man sich ein Bein abhacken, es aushöhlen und ein Kanu daraus basteln, bloß um wegzukommen.“

Shatner sieht das natürlich ein wenig anders: „Das Konzept der Platte war eine Beziehung zwischen Literatur und Musik. Ich versuchte, in einem Stück je einen Klassiker und einen Popsong zu verbinden. Deshalb deklamierte ich die Beatles und Dylan – die auf ihre Art moderne Literatur sind – ebenso wie Skakespeare. Ben Folds hat das sehr bewegt, wie er mir erzählte. Ich denke auch, dass das Album gut ist, aber ich Überlassen es anderen Leuten, ob sie der gleichen Meinung sind.“

„Bizarr“ wäre vermutlich das bessere Wort. Und hätte Ben Folds nicht die Sache in die Hand genommen, wäre „Has Been“ vermutlich auch ein Fall für die Freunde von Trash- und Novelty Records geworden. Denn Shatner hat bei allen Vorzügen ein entscheidendes Defizit: Er kann nicht singen. Gut, das sagt man manchmal so dahin. Aber hier ist es wirklich so: Er. Kann. Es. Einfach. Nicht. Darum hat Folds ein wenig herumtelefoniert und Joe Jackson. Aimee Mann und den Country Star Brad Paisley angerufen. Er sorgte ebenfalls dafür, dass Adrian Belew Gitarre spielt und Henry Rollins ein wenig herumschreit. Sogar Bestseller-Autor Nick Hornby ließ sich überreden und hat den hübschen Text von „That’s Me Trying“ beigesteuert. Tori Amos und die Flaming Lips lehnten dankend ab.

In seinen eigenen Texten gibt sich Shatner mal als romantischer Optimist („It Hasn’t Happend Yet“), mal als weiser Greis („You’ll Have Time“). In „I Can’t Get Behind That“ werfen sich Henry Rollins und er die vielen Dinge an den Kopf, die sie in diesen modernen Zeiten nicht mehr verstehen. Beklemmend wird es allerdings, wenn Shatner in diesen gutgelaunten Zusammenhängen über den Tod seiner dritten Frau Nerine spricht. Begleitet nur von einem gestrichenen Standbass. „What Have You Done“ schildert den Moment, als Shatner die im Pool seines Hauses in LA treibende Leiche entdeckt deren Todesursache umstritten war: „Ich habe sehr mit mir gekämpft, ob ich diesen Song überhaupt auf das Album nehmen soll. Ich rede normalerweise nicht gerne viel darüber. Es ist ein emotional ungemein schwieriges Thema. Doch ich wollte, dass auch meine Kinder verstehen, was ich in diesem Moment empfand, diesem wohl schwersten Moment meines Lebens. Alleingelassen von der Familie und von Freunden.“

Man hat beim Hören von „Has Been“ tatsächlich oft das Gefühl, als säße Shatner in einem Schaukelstuhl und würde Ratschläge, Geschichten und Lebensweisheiten zum Besten geben, während zu seinen Füßen die Kinder und Enkelkinder hocken und gespannt zuhören. Da kann dann schon mal eine unpassende Anekdote dazwischen rutschen – man kennt das von den Geburtstagen des eigenen Großvaters. Oder ein Hauch von lustig gemeinter Selbstdemontage a la Ozzy Osbourne sorgt für irritierte Seitenblicke. Es ist vor allem die ausgesprochen smarte Musik, die eine Klammer bildet, die all diesen Geschichten die augenzwinkernde Kamin-Atmosphäre verleiht Eine bemerkenswerte Ausnahme im Selbstdarstellungsreigen des Captain bildet nur die Coverversion von Pulps „Common People“. Shatner ist irritiert, dass es Menschen gibt, die den Song im Original kennen – und obendrein noch mögen: „Ben und mir war klar, dass wir mit dem Album die Leute erreichen würden, die ‚The Transformed Man‘ interessant und witzig fanden. Und wir brauchten einen Opener. Etwas, das die Leute aufrüttelt, ihnen zeigt dass wir es ernst meinen mit der Musik. Ben hatte die Idee, ‚Common People‘ zu verwenden. Ich hab mich eine Zeit lang widersetzt und gesagt: Das gehört nicht zu meinen persönlichen Geschichten. Er widersprach mir und hatte recht. Das Ergebnis war wie die Doppelhelix der DNA. Es ist unglaublich! Es ist unglaublich, dass der Schauspieler den gleichen musikalischen Klimax erreicht wie der Musiker Joe Jackson.“ Man könnte das auch bescheidener ausdrücken: Shatner spricht die Strophe, Jackson singt den Refrain, und beides passt tatsächlich recht gut zusammen.

„Has Been“ ist jedoch nur eins von vielen Projekten, die der Schauspieler zur Zeit verfolgt „Boston Legal“, eine neue Serie mit ihm und James Spader in den Hauptrollen, ist in den USA gerade angelaufen, im Januar startet die Reality-TV-Reihe „Invasion Iowa“: „Ich fahre mit einem Filmteam in eine kleine Stadt im Mittleren Westen und tue so, als würden wir dort einen Film drehen. In Wirklichkeit filmen wir aber die Reaktionen der Leute auf unsere Aktionen. Das wird groundbreaking, etwas ganz Besonderes.“

Gut jedenfalls, dass Shatner immer noch auf ‚Star Trek‘ setzt: Seit 1989 schreibt er immer wieder mal „Star Trek Memories“ und andere Bücher über die Serie. In den TV-Spots für Pricelineurom tritt er neuerdings mit Leonard Nimoy auf, und seit 1995 ist er auch Co-Autor einer Reihe von „Star Trek“-Romanen. Da kommen natürlich schnell mal Gerüchte auf. Stimmt es, dass der Captain zurückkehrt? „Ich arbeite gerade an zwei Büchern über die frühen Jahre von ‚Star Trek‘. Ich wollte sie an Paramount verkaufen, aber die hatten kein Interesse. Stattdessen machten sie mir das Angebot in ‚Enterprise‘ mitzuspielen, das ist die jüngste Version von ‚Star Trek‘ im Fernsehen. Aber noch ist nichts definitiv. Mal abwarten, ob sie genug Geld dafür rausrücken.“

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