Beauty Punk

Die New Yorker Avantgardistin Joan As Police Woman hält Schönheit für die reine Subversion

Joan Wasser liebt das Drama. Sie klebt Ausrufezeichen hinter ihre Sätze und fuchtelt dabei mit den Armen in der Luft herum. Manchmal fährt sie sich auch durch die Haare oder lässt sich mit gespielter Empörung in die Polster der Couch zurückfallen. Joan ist mindestens so sehr New Yorkerin wie Patti Smith oder Debbie Harry, bloß etwas jünger. Im Moment erklärt die Brünette in den weißen Secondhand-Stiefeletten gerade ihr Credo „Beauty is the new Punk Rock“: „Punk Rock ist total auf den Hund gekommen!“ schimpft sie, und ihre Stimme bekommt dabei fast etwas Zeterndes. „Avril Lavigne ist kein Punk Rock! Und all diese Bands, die wie Punks aussehen – was soll das? Wir wissen, was das bedeutet. Ich gehöre jedenfalls nicht zu den 20-Jährigen, über die Marketingleute sagen .Hey, let’s make her Punk!‘ Etwas wirklich Schönes zu präsentieren, ist heute das Subversivste, was man tun kann!“

Behauptet Joan und guckt triumphierend, weil sie vermutlich an das Album denkt, das sie gerade als Joan As Police Woman veröffentlicht hat. Die diplomierte Violinistin weiß allerdings recht genau, wovon sie spricht. Anfang der Neunziger entwickelte sie mit den Bostoner Dambuilders eine melodisch verspielte Fortführungdes Punk. Es folgten kräftig rockende Projekte mit Musikern der Grifters, Flaming Lips und Shudder ToThink. 1994 traf Joan dann bei einem gemeinsamen Konzert Jeff Buckley, und schon bald schrieb und sang er für sie das verliebte „Everybody Here Wants You“. Bis zum tragischen Tod des Songwriters 1997 waren die beiden ein Paar. Die Schönheit eines leisen Songs war ihr vermutlich schon damals näher als ein nasstorscher Power-Akkord.

In den folgenden Jahren arbeitete Joan mit so ziemlich jedem Musiker, der eine Violinistin gebrauchen konnte: Lou Reed, Dave Gahan, Nick Cave, gerade hat sie an Hai Willners opulentem „Sea Shanties“-Projekt mitgewirkt. Von 1999 bis kurz nach Erscheinen des Albums „I Am A Bird Now“ war die umtriebige New Yorkerin auch Mitglied bei Antony & The Johnsons. Erst Rufus Wainwright schaffte es, Joan abzuwerben – weil sie im Vorprogramm seiner Shows ihre eigenen Songs spielen darf: „Lange Zeit hat es mir gereicht, die Möglichkeiten der Violine zu erforschen. Dieses Instrument ist wie eine Stimme, und ich konnte mich damit perfekt ausdrücken.“ Doch irgendwann war ihr das zu wenig. Joan lernte Gitarre, begann zu singen. „Von diesem Punkt an hat sich alles entwickelt. Ich begann Songs zu schreiben, eher privat, und ich habe sie lange Zeit niemandem vorgespielt.“

Die Schüchternheit war natürlich völlig unnötig. Die Lieder von „Real Life“ klingen unprätentiös, fast beiläufig, und sind dabei irritierend perfekt. Joans gefühlvoller und sinnlicher Gesang erinnert manchmal ein wenig an Feist, die Arrangements sind erfrischend minimalistisch. Doch wenn man lange genug hinhört, entdeckt man geheimnisvoll romantische Sounds und Gäste wie Antony oder Joseph Arthur. Frau Wasser spielt auf ihrem Debüt überwiegend Gitarre und Piano, mit der Violine setzt sie nur dezente Klangtupfer: „Ich nenne das American Soul Music, weil mich der klassische Soul mehr bewegt als jede andere Musik. Ich stamme zwar nicht aus dieser Tradition, doch ich fühle auf eine ähnliche Weise.“

Die Schönheit, von der Joan behauptet, sie sei der neue Punk, ist eine subtile, gefühlsbetonte Angelegenheit. Ihr umständlicher Künstlername ist leider noch immer so sehr Punk wie ein paar ausgetretene Converse-Sneakers: „Weil ich eine Weile sehr blond gefärbte Haare hatte, stellte Freunde eine Ähnlichkeit mit Angie Dickinson fest: „Joan, du siehst aus wie Angie Dickinson in der Fernsehserie .’Police Woman‘!“

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