Beck live in Berlin: Noch mehr Spaß mit Computern

Beck, der Superstar, der nie einer sein durfte, kam für ein Konzert nach Deutschland. In der Berliner Columbia-Halle präsentierte der Eklektiker seine größten Hits. Zehn Beobachtungen

1. Bevor es mit Beck losgeht, eine Mini-Exkursion: Kunstfreiheit ist wichtig, Kunstfreiheit muss gewährt bleiben.  So lautete die Erkenntnis aus dem Gerichtsstreit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham. Die Düsseldorfer Elektroniker dürfen dem Rap-Produzenten demnach nicht verbieten ein zweisekündiges Sample ihrer Musik zu benutzen. Und das Urteil dürfte auch Beck gefallen haben. Seine Musik lebte vor allem in den Neunzigern auch von Samples. Aber ausgerechnet einen Kraftwerk-Song covert er in Berlin ohne ein solches – seine Band spielt „Heimcomputer“ nach. Klasse!

2. Zum Cover-Reigen des Abends gehörte auch „China Girl“. Klar, Iggy Pop, vom dem das Original stammt, ist ein Gott, und deshalb ist es auch nur gebührend, dass … halt! NATÜRLICH spielen Beck und Band die einzig wahre Version, die von David Bowie. Mehr Pop als Iggy Pop, mehr Groove, mehr Power, China-Gitarre – Beck ist eben ein Kind der Achtziger.

3. Die China-Gitarre spielt Jason Falkner, den Beck bei „China Girl“ auch namecheckt („And When I Get Excited, My Little Jason Falkner …“). Der Ex-Jellyfish-Mann feierte seinen Durchbruch als Tourmusiker for hire um die Jahrtausend-Wende bei Air (die wiederum mit Beck aufnahmen), und er gibt live Beck die Töne zur Hand, die der selbst nicht spielen möchte, auch wenn es sein Job wäre. Falkner ist schon 48! Sieht aber aus wie ein besserer Jon Bon Jovi.

4. Welcher Beck ist der Beste? Es gibt so viele. Den Southern-Gothic-Beck („Mutations“), den Space-Travel-Beck („The Information“), den Touristenführer-Beck („Guero“), den Prince-Beck („Midnite Vultures“) … live scheint festzustehen: Am besten funktioniert der Blues-Beck. „Modern Guilt“, „Soul Of A Man“, die zwei Songs aus „Modern Guilt“ (2008), einem eher ausgetrocknet klingendem Album, haben in den Bühnenfassungen genau den richtigen Drive, dünne Lieder mit umso stärker aufgedrehter Gitarre, eine tolle Gegensätzlichkeit, „Soul Of A Man“ und „Modern Guilt“ werden so zu Prachtstücken.

Beck

5. Becks Lieblingsalbum könnte „Guero“ von 20o5 sein. Gleich sechs Songs machen sie an diesem Abend aus, fast ein Drittel des Sets. „Girl“ hinterlässt immer noch einen zwiespältigen Eindruck, es verblasst auch mehr als zehn Jahre nach Veröffentlichung gegenüber seinem Vorbild, dem Outkast-Lied „Hey Ya!“ …

6. … während „E-Pro“ das beste Beispiel dafür ist, dass Samples eine Hommage manchmal wertiger machen. Der Rhythmus von „So What’cha Want“ ist bei Beck sogar noch ein bisschen besser aufgehoben als bei den Beastie Boys.

7. Töne vom Band sind definitiv ok. Die besten Live-Künstler wissen, dass sich manche Elemente nicht aufführen lassen, seien es Geräusche oder die Akustik-Gitarre von „Loser“. So lange alles das, was Beck und die vier Co-Musiker darbieten, wenn sie Hände und Füße benutzen, live ist, darf das Drumherum ergänzt werden.

8. Deshalb ist es schade, dass „Paper Tiger“ aus dem Album „Sea Change“ (2002) so dünn daherkommt. Die Gainsbourg-Streicher wären hier ein Muss gewesen, dem Song fehlt live die Eleganz. Musik für Türsteher.

9. „Morning Phase“ kommt spät, aber es kommt. Drei Lieder aus dem „Album des Jahres 2014“ (Urteil der Grammy-Jury), und zwar die Herz-Stücke: „Say Goodbye“, „Blue Moon“ und das selten dargebotene „Heart Is A Drum“.

10. Wichtigste Entertainer-Regel, die so wenige beherzigen, die aber Beck beherzt: Ein echter Star stellt sich erst am Ende vor. „My Name is Beck“, sagt er beim abschließenden „Where It’s At“, erst nachdem alle anderen Musiker vorgestellt wurden. Sinatra-Feeling.

Beck war derjenige,  der in den Neunzigern als der kommende Superstar galt. Dass es so nicht kam, ist nicht seine Schuld; man erwartete von ihm Zeitgeist-Musik, die er nicht immer bringen wollte. Man bräuchte niemandem den Vogel zeigen, der behauptet, Beck wurde nach seinem Durchbruch mit „Odelay“ 1996 gar besser.

Noch in diesem Jahr soll seine neue Platte kommen!

Setlist:

Devil’s Haircut
Black Tambourine
Think I’m in Love
Loser
Ghettochip Malfunction (Hell Yes)
Qué Onda Güero
The New Pollution
Mixed Bizness
Go It Alone
Soul of a Man
Modern Guilt
Paper Tiger
Lost Cause
Say Goodbye
Heart Is a Drum
Blue Moon
Dreams
Girl
Sexx Laws
E-Pro

Zugabe:
Where It’s At

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