Branford Marsalis verblüfft mit einem Fusion-Projekt der buntesten Art

Ein Tag ohne Mozart, Haydn oder Bach ist für Branford Marsalis fast ein verlorener Tag. „Ich liebe Mozart, weil er keine Grenzen kannte. Als Junge hielt ich diese Musik zwar für Quatsch, doch als mein Bruder Wynton tonnenweise klassische Platten anschleppte, entwickelte sich auch meine Affinität Vorher gab’s für mich nur Funk und Jazz, denn das war cool, das war hip. Damals wäre mir nicht im Traum eingefallen, daß ich mal als Klarinettist mit dem englischen Kammer-Orchester spielen würde. Und mit dem Jazz fing ich erst ernsthaft an, als mich mein Bruder Wynton in seiner Band haben wollte. Das bedeuetete natürlich, ständig üben zu müssen. Und je mehr ich übte, um so mehr entdeckte ich den Jazz als Herausforderung. Was etwa „Bird“ Charlie Parker gemacht hat, ist immer noch wesentlich spannender als all das, was Chuck Berry je gespielt hat“.

Inzwischen hat die Herausforderung Jazz der 34jährige unendlich viele und unterschiedliche Musik-Erfahrungen meistern lassen. Und er spielte mit dermaßen vielen Legenden, darunter Miles Davis, daß allein deren Aufzählung den Rahmen sprengen würde. Von Sting wurde der Multi-Instrumentalist (Saxophon, Klarinette, Piano) in Pop-Sphären entfuhrt und von Talkmaster Jay Leno zum Leiter „der geschmackvollsten Talkshow-Band Amerikas“ erkoren. Nach der Kooperation von Branford und DJ Premier (Gang Starr) für Spike Lees Film „Mo‘ Better Blues“ entwickelte sich die gemeinsame Idee zu einem Fusion-Projekt buntester Machart „So wie Cannonball Adderley in den 50er Jahren schon mal R&B mit Pop-Elementen verquickt hat, wollte ich das mit einer Melange aus HipHop, Rock, Jazz und Reggae tun. Denn letztlich ist ja alles aus den gleichen Wurzeln erwachsen.“

Bei Adderley entlieh sich Branford den Projektnamen Buckshot Lefonque, und ursprünglich war nicht geplant, unbedingt Neues zu schaffen. Nein, man wollte nur fröhlich mit allen Stilarten herumspielen: „In erster Linie ist alles Musik. Dann aber kommen die Schubladen. Hauptsache, erkennbar für jeden Idioten. Dabei kann heute keiner ein Wayne-Shorter- von einem Sonny-Rollins-Solo unterscheiden.“ Branford nennt die Musik seines Buckshot Lefonque-Projektes ironisch „De-Ghetto Music“ und läßt keine Gelegenheit aus, mit ihr Diskriminierung anzuprangern. Wie etwa in „Breakfast At Denny’s“ mit einem Kommentar von Jay Leno über die Weigerung dieser Fastfood-Kette, Schwarze zu bedienen.

Und in nüchterner Erkenntnis, daß in der Musik schon seit jeher geklaut wurde, freut sich Marsalis auch über die Sample-Technik. „Nur jemand, der weiß, was existiert, kann das auch nutzen. Und den Jazz wird es immer geben, allein schon der symbolischen Bedeutung des Begriffs wegen, die eine Lebenshaltung impliziert. Da muß man halt schon mal für zehn Dollar in kleinen Clubs spielen.“

So ernst, wie die Teilnahme eines einbeinigen Zwergs am Arschtritt-Wettbewerb – einer von Branford Marsalis‘ Lieblings-Sprüchen. Aber da der Mann permanent verblüfft, ist damit zu rechnen, daß er womöglich bald bei der „Walküre“ in Bayreuth gastiert, „egal, ob das hip oder uncool ist“

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