History

Bruce Springsteens DDR-Konzert in Weißensee: Born In The GDR

Am 19. Juli 1988 absolvierte Bruce Springsteen das größte Konzert seiner Karriere – und das größte, das je in der DDR stattfand. Vor 160.000 Zuschauern trat der Boss auf der Radrennbahn Weißensee auf. Erinnerungen des Konzertgängers und Autoren Erik Kirschbaum.

„Wir alle hörten die Botschaft -und sie war elektrisierend“, sagt der damals 34-jährige Landwirt Jörg Bencke, der durch die halbe DDR angereist war. „Jeder wusste genau, worüber er sprach -dass man die Mauer einreißen müsse. Es waren vorher schon andere westliche Rockstars in die DDR gekommen. Sie spielten und sagten ,Hallo Ost-Berlin‘ oder so was in der Art. Aber niemand bewies einen derartigen Mut. Springsteen stellte sich einfach auf die Bühne und sagte, wovon alle nur träumten. Es war einfach ein unbeschreibliches Gefühl.“

Die Menschenmenge vor der Bühne explodierte in einem lauten Aufschrei. Er war kurz, aber gewaltig -ein Augenblick, den niemand der Anwesenden wohl vergessen wird. Springsteen lächelte, als die Ovationen vor der Bühne aufbrandeten. Er trat ein paar Schritte zurück, als würde er von der Reaktion überrollt werden. Er schien stolz zu sein.

Bruce Springsteen live mit seiner E Street Band in Australien
Bruce Springsteen live mit seiner E Street Band in Australien

Reinhard Heidemann, bei der staatlichen Künstler-Agentur der DDR für ausländische Musiker zuständig, erinnert sich daran, von Springsteens Mut tief beeindruckt gewesen zu sein und lautstark applaudiert zu haben -für einen DDR-Funktionsträger eher ungewöhnlich. Auch wenn Springsteen das Wort „Mauer“ nicht benutzte, „wusste natürlich jeder, was gemeint war“, sagt Heidemann. „Es war eine mutige Entscheidung. Er wusste genau, was er tat. Es war ohnehin ein wundervolles Konzert -aber diese Sätze machten es zu einem ganz besonderen Ereignis.“

Vier Stunden spielte Springsteen in Ost-Berlin, 30 Jahre ist es nun her. Und es ist vielleicht nicht einer seiner besten, aber bestimmt einer seiner wichtigsten Auftritte gewesen.

Stasi-Akte Springsteen

„Nikaragua im Herzen“: Wie die DDR den ,,internationalen Rockkünstler“ erklärte – aus ROLLING STONE im Jahr 2013

Vor gut zehn Jahren erzählte mir ein Taxifahrer von dem legendären Springsteen-Konzert in Ost-Berlin. Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen“, erzählt Erik Kirschbaum. „Konnte es sein, dass sein Auftritt in der DDR zum Mauerfall beigetragen hat?“ Der 52-jährige Korrespondent aus New York, der seit 1993 für die Nachrichtenagentur Reuters aus Berlin berichtet, sprach mit Dutzenden Zeitzeugen, telefonierte mit Springsteen-Manager Jon Landau – und besorgte sich die Stasi-Akte aus der Unterlagen-Behörde. „Interessant ist ihre Banalität“, sagt Kirschbaum. „Die Stasi-Leute haben Ausschnitte aus ,Bild‘ und ,Bunte‘ reingeklebt, um ihren Vorgesetzten eine Einschätzung des Springsteen-Konzerts zu geben. Interessant ist auch der frei erfundene Bericht, wonach Landau gegenüber DDR-Offiziellen abgesegnet habe, dass Springsteen unter der Nicaragua-Flagge auftritt.“

Über viele als „streng geheim“ klassifizierte Seiten hinweg planen Stasi-Offiziere die Durchführung des „Solidaritätskonzerts für Nikaragua mit dem US-Sänger“, da werden FDJ-Hundertschaften hin und her geschoben, die Aufgaben der 500 „Agitatoren“ festgelegt, das „Auflösen entstehender Personenkonzentrationen durch zweckmäßige Einflussnahme“ angeordnet und schon mal eine Überschrift für den Konzertbericht in der „Jungen Welt““vorgeschlagen“(nämlich: „Nikaragua im Herzen“). Zudem übt sich die Stasi in Pop-Journalismus: „Harte, ungeschönte Songs über die Schattenseiten der amerikanischen Wirklichkeit“ seien es, die der „internationale Rockkünstler“ vortrage, der im Übrigen über ein „solides musikalisches Handwerk“ verfüge. Gewarnt wird vor allzu euphorischen Reaktionen „westlich-dekadent“ geprägter Fans.

„Aber insgesamt findet man auf den 90 Seiten kaum Spektakuläres“, sagt Kirschbaum. „Möglicherweise sind auch Teile der Akte vernichtet worden, sie wirkt unvollständig.“ Ein Jahr lang hat Kirschbaum an seinem Bericht über das Ost-Berlin-Konzert von 1988 gearbeitet, der nun auch als Buch erscheint. Und wie sieht er heute nach seiner aufwendigen Recherche Springsteens Anteil am Mauerfall? „Die Mauer wäre auch ohne ihn gefallen. Aber ich glaube, dass dieses Konzert etwas bewegt hat -mehr jedenfalls als Ronald Reagans Auftritt im Westen der Stadt.“

ERIK KIRSCHBAUMS Buch „Rocking The Wall. Bruce Springsteen – The Berlin Concert That Changed The World“ erscheint im Berlinica Verlag, New York, als Hardcover (19.95 $), Softcover (11.95 $) und e-book (5.99 $)

Mark Kolbe Getty Images
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