Celluloid Heroine

Für einige ihrer Film-Rollen, zuletzt in "Irina Palm", wurde die Faithfull gefeiert, für andere vorwiegend verrissen - doch die Theater-Arbeit ist ihre eigentliche Leidenschaft geblieben

Sängerin sei sie nur nebenbei, gab Marianne Faithfull bereits in ihren frühesten Interviews zu Protokoll, sehr zum Leidwesen ihrer Plattenfirma. Eigentlich sei sie Schauspielerin, und ihre wahre Bestimmung liege auf der Theaterbühne oder vor der Kamera. Entsprechend riesig war denn die Aufmerksamkeit der Medien, als Marianne im April 1967 ihre erste ernsthafte Rolle auf die Bretter legte, die ihr so viel bedeuteten. Anton Tschechows „Drei Schwestern“ stand auf dem Spielplan des renommierten Royal Court Theatre in London, und Marianne, selbst gerade erst 20 Jahre alt, gab die jüngste Schwester Irina, die sich nach der großen Liebe verzehrt und nach einem erfüllten Leben, Ideale, die sich zerschlagen. Die beiden älteren Schwestern wurden von Glenda Jackson und Avril Elgar dargestellt, beide sehr erfahren, doch kam die unter besonderer Beobachtung stehende Debütantin nicht schlechter weg bei der Kritik. Das Fachblatt „Play And Players“ sah in Marianne gar „a symbol of radiance and innocence, a rubbing post for our itchy souls“. Faithfull war im Glück, steigerte sich aber immer mehr in ihre Rolle hinein. An einem schwülen Juni-Abend brach sie auf der Bühne zusammen, während der Vorstellung, vollkommen erschöpft.

40 Jahre später gibt Marianne Faithfull wieder eine Irina, auf der Leinwand diesmal. Sie spielt eine 60-jährige Witwe, die schnell zu Geld kommen muss, weil die Behandlung des todkranken Enkels teuer ist. Und so verdingt sie sich in einem Pornoladen in Soho, wo sie so gute Handarbeit verrichtet, dass der anonyme Kundenstrom kaum abreißt. Vom etwas kitschigen Happy End abgesehen – der Enkel wird gerettet, der Betreiber des Sexclubs verliebt sich in die Großmutter -, findet „Irina Palm“ überall Anklang. Selten einmütig lobt die Kritik Faithfulls schauspielerische Leistung, ihre Lakonie und Glaubwürdigkeit.

Nicht alle Streifen, nicht alle darstellerischen Bemühungen Mariannes wurden so honoriert. Ihre erste Filmrolle in „I’ll Never Forget What’s ‚ls Name“, immerhin an der Seite von Orson Welles, sorgte allerdings nicht der Darbietungen wegen für Aufregung als vielmehr durch das Wörtchen „fuck“, das 1967 tatsächlich erstmals im Drehbuch eines allgemein zugänglichen Films stand, von Marianne freilich eher verschämt als vulgär entboten. Gnadenlos verrissen wurde „Girl On A Motorcycle“ im Jahr darauf, wiewohl Marianne den ihr zugedachten Part, neben dem pomadigen Alain Delon einfach hinreißend auszusehen, perfekt in Szene setzte. Danach stand sie für Godard und Anger kurz vor der Kamera, spielte in „Ghost Story“, „Far From China“ und etlichen weiteren Kino-Produktionen, trat in Fernseh-lnszenierungen der Stoffe von Strindberg oder Somerset-Maugham auf, war Gott in der britischen Sitcom „Absolutely Fabulous“ und der Teufel in „The Black Rider“, dem Musical von William Burroughs und Tom Waits unter der Regie von Robert Wilson.

Das Theater aber, sagt Marianne Faithfull, sei ihre größte Leidenschaft geblieben, die Erinnerung an eine Vorführung müsse sich unauslöschlich einprägen, denn sie sei nicht reproduzierbar. Ob als Ophelia in „Hamlet“ an der Seite von Nicol Williamson und Anthony Hopkins, als Jenny in der „Dreigroschenoper“ in Dublin oder als lesbische Florence Nightingale in Edward Bonds „Early Morning“, es seien stets lange, harte Wochen des Probens vorausgegangen, die sich nicht selten in einem kostbaren Moment ausgezahlt hätten, am schönsten natürlich vor Publikum. Schließlich sei sie Schauspielerin, Sängerin nur nebenbei.

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