Charlie Huston: Roman noir vs. „Twighlight“-Schmock

Seit "Twiglight" haben Vampire ein Image-Problem. Auf einmal müssen sie nicht nur das Schreckgespenst, sondern auch den Posterboy geben. Der US-Autor Charlie Huston hält dagegen - mit einer düsteren Roman-noir-Vampirsaga und einem abgerissenen Antihelden.

Seit vergangenen Donnerstag hat die zweite Verfilmung von Stephenie Meyers „Twilight“-Saga die deutschen Kinos erreicht und setzt den spektakulären Siegeszug der Vampire fort. Der Film mit Kristen Stewart als verliebter Mensch Bella, Robert Pattinson als in Bella verliebter Vampir Edward und Taylor Lautner (Titelstar des aktuellen US-Ausgabe des Rolling Stone) als in Bella verliebter Werwolf Jacob wird erfahrungsgemäß wieder wochenlang die Kinocharts anführen und die schon seit Jahrzehnten beliebte Legende von den blutsaugenden Nachtwesen auch ins letzte Teenagerzimmer bringen. Ein internationaler Erfolg, den sich „Der Kleine Vampir“ im Leben nicht erträumt hätte. So wundert es auch nicht, das momentan überall Vampir-Romane auf den Angebotstischen der Buchhandlungen auftauchen. Sei es Lara Adrians „Geliebte der Nacht“, Jeanine Frosts „Kuss der Nacht“ oder auch mal – in guten Buchhandlungen – der Klassiker „Dracula“ von Bram Stoker oder „So Finster die Nacht“ von Tomas Alfredson. Dabei kann man meist schon am Einband erkennen, für welche Zielgruppe der Vampirmythos da gerade aufbereitet wird.

Vom Vampir-Hype leider noch relativ unberührt, sind dabei die Romane des US-Autoren Charlie Huston, der mit „My Dead Body“ kürzlich seine „Joe Pitt Casebooks“ abschloss, eine fünfbändige Vampirsaga, die in den Nächten New Yorks spielt und das so beliebte Thema mit den Mitteln des Roman-noir angeht. Der titelgebende Held Joe Pitt wird Ende der 70er auf einem Ramones-Konzert im CBGBs von einem „Vampyr“ infiziert und muss zwangsläufig lernen sein neues (Nacht-) Leben in den Griff zu kriegen. Dabei lernt er, dass New York zwischen rivalisierenden Clans aufgeteilt ist, die allesamt verschiedene Auffassungen haben, wie man als „Vampyr“ zu leben hat. Während die „Coalition“ ein Großteil Manhattans beherrscht und im Untergrund die Fäden zieht, will die hippieske „Society“ die Existenz der „Vampyre“ publik machen, während sich in Harlem die aus den Black Panthers entstandene „Hood“ um ihre Leitfigur DJ Gravediggah sammelt und die sektenartige „Enclave“ nach der totalen Erleuchtung strebt. Joe Pitt steht dabei zwischen allen Lagern, spielt alle gegeneinander aus, stolpert immer wieder in den nächsten Hexenkessel und steckt dabei mindestens genauso so ein, wie er austeilt – freilich selten, ohne das letzte Wort zu haben. Wie Charlie Huston selbst die Handlung erklärt, kann man in diesem ausführlichen Interview nachlesen.

Charlie Huston versteht es in den fünf Büchern, von denen bereits drei im Heyne-Verlag ins deutsche übersetzt wurden, den Vampir-Mythos glaubhaft ins New Yorker Nachtleben zu transportieren und dürfte damit sogar den Leuten gefallen, die sonst von Vampiren in der Literatur lieber die Finger lassen. Auch seine Ironie dem Thema gegenüber sorgt immer wieder für Glanzmomente, zum Beispiel wenn er bissig die Liebe zwischen einem Teenager-Vampyr und einem jungen Mädchen kommentiert – ein Paar, das sich dermaßen in seinem Pathos gefällt, das es glatt aus der Feder von Stephenie Meyer entstammen könnte. Wer also seinem durch die „Twilight“-Überpräsenz glatt poliertem Vampirbild ein paar Schrammen verpassen will, der ist bei Huston an der richtigen Adresse.

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