Daniel Josefsohn

Es ist nicht ganz ungefährlich, mit Daniel Josefsohn feiern zu gehen. Es kann spät und heftig werden, das ist schön, manchmal hat er aber seine Kamera dabei, und das ist dann für einige rückblickend nicht mehr ganz so schön. Weil sie plötzlich vor seiner Linse Sachen machen, die sie nie vorhatten und an die sie sich später lieber nicht mehr erinnern würden. Sie sind dann vielleicht zu nackt an den falschen Stellen an den falschen Orten mit Menschen, die sie kurz zuvor noch nicht kannten, auf jeden Fall nicht so, alles egal, seine Anwesenheit macht die Situation so logisch wie zwingend, alles erscheint wie ein ganz natürlicher Fluss der Dinge, nächste Foto bitte, völlig normal, vielen Dank.

Das nimmt er sich nicht vor, das wird nicht geplant, weil dieser kleine, feine Josefsohn-Moment eben nicht geplant werden kann, er muss nur erahnt, aufgespürt und freigeschaufelt werden. Wie viele solcher halbprivaten Fotos auf seinem Rechner gespeichert sind, weiß nur er allein, sie ruhen dort still, nur für ihn – und manchmal für ein paar gute Freunde, an denen er diese Aufnahmen vorbeihuschen lässt, lang genug, um vieles erahnen zu können, zu kurz, um jemanden zu diskreditieren. Denn das würde er nie machen. Er will ja nicht bloßstellen, nicht verurteilen, nur einfangen, abbilden, den Hauch Crazyness, den er dort gespürt hat.

Und vielleicht beschreibt dieses Vorgehen, wenn man es denn überhaupt so nennen kann, in diesem privaten Teil seiner Welterfassung am besten seine Herangehensweise auch bei seinen „offiziellen“ Arbeiten. Wenn er loszieht, gibt es keine Garantien für nichts. Es gibt keine fertigen Ideen, keine Blaupausen für den genialen Shot, es gibt nur Daniel Josefsohn und die Gewissheit, dass irgendwie am Ende ein ungewöhnliches Bild entstanden sein wird. Das Neue, Aufregende, Unbekannte ist sein Ziel, und sei es „nur“ der neue, aufregende, unbekannte Blick auf etwas, das wir doch schon lange zu kennen glaubten. Das nennen Kunstbetrachter gerne authentisch, als Magazin-Redakteur denkt man sich bei ihm immer noch ein – wohlwollendes – „irre“ gleich dazu. Kleingeistige Absprachen, einengende Briefings – vergiss es.

Vor vielen Jahren hatte er eine Zeitlang eine sehr ausgeprägte Macke, auf jedes Bild, egal mit wem oder zu welchem Thema, seinen Hund namens „Jesus“ oder einen weißen Cowboyhut zu packen. Eventuell noch die aktuelle Assistentin. Oder alles zusammen. War ihm doch egal. Damals beauftragte ich ihn, Marius Müller Westernhagen zu fotografieren, denn Musik war immer schon ein Josefsohnsches Steckenpferd. „Kein Hund, kein Cowboyhut, auf gar keinen Fall!“ hieß die Ansage. Ist klar, bestätigte er. Ergebnis: kein Bild ohne Cowboyhut oder Hund oder beides – alle toll. Redakteur zufrieden, Künstler auch – ist klar.

Er kennt sich aus mit der Nacht und der Musik, mit Künstlern sowieso, er ist ja selber einer. Herbert Grönemeyer begleitet er seit 1995 immer wieder auf Touren, Peaches liebt er, DJ Hell ist ihm Botschafter einer Welt, in der er sich lange bewegte. Er, der damals noch in Hamburg lebte, war schon in Berlin im Planet, im E-Werk oder im WMF unterwegs, als die meisten noch nicht wussten, dass sich dort zu unerhörten elektronischen Klängen eine Bewegung formierte, der bald Millionen hinterhertanzen würden. Ein echter Raver, dem kein euphorischer Absturz und kein Abgrund fremd war, einer der Nachtlebenmenschen, von denen man instinktiv wusste: Man muss in seiner Nähe bleiben, wo er ist, wird die Party sein, denn hier ist jemand, für den Rock’n’Roll keine Pose, sondern Lebenselixier ist, jederzeit, überall – und Humor sowieso: Neben dem Computer des in Hamburg geborenen Sohns israelischer Einwanderer liegt eine ausrangierte AK-47 Kalaschnikow mit der Gravur: „I love Jews“.

Ende der 80er fing der frühere Skater als Autodidakt mit dem Fotografieren an, kürzlich bekam er den Lead Award in Gold für seine Anzeigenkampagne für das Modelabel Herr von Eden, seit Jahren drucken renommierte Magazine von „Jetzt!“ bis „Monopol“ seine Bilder, schon 1994 staunte ganz Deutschland über seine MTV-Imagekampagne. Wenn das Fotografieren mal nicht reicht, überspringt er auch diese Grenze. Für die Künstlergruppe „Elternhaus“ entwickelte er die Idee eines preisgekrönten Parfüms für den Weltfrieden: „MoslBuddJewChristHinDao. Damit wir uns endlich riechen können.“ Wir können ihn gut riechen. Ist klar.

DANIEL JOSEFSOHN Der Fotograf und frühere Skater, 48, lebt in Berlin. Seine (erste) große Einzelausstellung „Es wird alles gut Mutter“ im Kunstverein Hamburg läuft vom 1. bis zum 30. Mai

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