Das gesprochene Wort kehrt zurück: Die CD-Reihen WortArt und MotorWords kultivieren vergessene Tugenden

Wieso liest Wiglaf Droste seine Texte vor? Ist er ein Dichter? Wird er von Eitelkeit getrieben? Strebt er nach Ewigkeit? Droste sucht den öffentlichen Kampfplatz, und wo er liest, da sind öfter Schwule-Lesben-Linke-Minderheiten-Politischkorrekte planmäßig zur Stelle, um zu pöbeln, Farbbeutel oder Stinkbomben zu werfen. Wiglaf freut’s.

Vor vielen Jahren freute sich der damals noch blutjunge Radikalist in einem ehrlichen „Titanic“-Nachruf über den gewaltsamen Heimgang des Wirtschaftsartisten Alfred Herrhausen in dessen Auto; seitdem schreibt Droste über ziemlich alles ziemlich überall (auch in dieser Zeitschrift, natürlich), und beinahe ist er schon altersmild geworden. Die Ziele sind meistens dieselben und weich dazu, aber Droste trifft trotzdem immer: Kübelweise Leserbriefe sind gewiß, wenn – unsere östlichen Leser erinnern sich mit Schmerzen – die Geschmacklosigkeit des Ossis (aber auch die des Wessis!) gegeißelt wird. Droste ist gerecht in seiner Verachtung und putzig in seiner Verzweiflung.

Denn Droste leidet, und nur deshalb muß er unbedingt und sofort über Bagatellen wie die Sommerbekleidung der Besucher eines Neil Young-Konzerts in der Berliner Waldbühne schreiben (obwohl es doch scheißegal ist, wieviele bekiffte Hippies im Publikum sind, wenn Young „Like A Hurricane“ spielt) oder als „Späte Rache“ über die Kalamitäten im Umfeld des „Köln Concert“ von Keith Jarrett während seiner verkorksten Jugendzeit (obwohl Innerlichkeitssuche und Flokatiteppiche die billigsten Lacher garantieren). Droste hat fast immer recht und behält es auch – aber ist es nicht auch ein bißchen blöd, das Elend eines „Bio-Shops“ mit aller Wortgewalt vorzuführen? Schuld und Rache seien seine Gefühle sagte Droste? Nein, Elvis Costello.

Wiglaf, wie er leibt und liest, ist nun auf dem Album „Wieso heißen plötzlich alle Oliver?“ (Motor Music) dokumentiert, Teil 1 der verheißungsvollen Reihe „MotorWords“ – Teil 2 füllt bald Drostes Kollege Max Goldt. Darauf singt Droste auch ein paar manierliche Liedchen. Die Lesung wurde in der Berliner Volksbühne aufgenommen – man kennt die Texte meistenteils, doch Droste trägt sie mit angenehmer Stimme und sprachlicher Präzision vor.

Er ist ein Wortliebhaber und Filigransyntaktiker, er genießt sich selbst beim Lesen. Diese Lust braucht es dringlich, denn wer eigene Texte vorliest, der sollte für stählernes Selbstvertrauen (oder hinreichende Hybris) sorgen. Das Publikum raunt und klatscht freilich allzeit dankbar – Szenenbeifall!

Drostes Gedichte sind läppisch kindlich und gemahnen an den gewitzten Simpel Heinz Erhardt. Am wahrhaftigsten und angreifbarsten ist Droste, wenn er sich beruhigt und die letzte Frage stellt: „Wo ißt Gott?“ Die Melancholie schreibt Oder wenn Droste unvermittelt ein Volkslied für Van Morrison singt Da wird der Blick geöffnet auf das Herz in der geölten Wortmaschinerie.

Das Herz des Harald Schmidt schlägt in einem sehr geheimen Winkel. Dieser Mann wird nur sentimental, wenn im Stadion die Nationalhymne (und zwar die amerikanische) abgesungen wird – sonst hält er den Zynismus für die menschenfreundlichste Form der Tröstung. Der Spötter ließ sein Programm „Schmidtgift“ mit dem er nach dem lustigen Abgang bei „Verstehen Sie Spaß?“ durch die Provinz tingelte – in der Reihe „WortArt“ (IMS Polymedia) veröffendichen. Vor der Gesamt-Videobox mit 236 Folgen der, „Dicken Kinder von Landau“ ist dies vermutlich der letzte Schatz für die Schrankwand und mit erheblicher Wertsteigerung verbunden, wenn Schmidt erstmal Kanzler ist „WortArt“ versammelt unter verdienten Kleinkünstlern – Dieter Nuhr, Hans Liberg, Lisa Fitz – einen weiteren Giganten: den Amokschwätzer Richard Rogler mit „Finish“ und „Wahnsinn“. Wenn Harald Schmidt die Macht übernimmt, folgt ihm Richard Rogler bei SAT 1 nach.

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