Das Treffen der Generationen

Besinnlichkeit gab es bei den MTV Europpe Awards nicht, wohl aber die Erkenntnis: Die Alten gewinnen nicht mehr, aber sie werden gerne eingeladen

Dass die „MTV Europe Music Awards 2001“ keine besinnliche Veranstaltung werden würden, war spätestens nach dem dritten Witz von Moderator Ali G klar: „Wegen der aktuellen Lage sind die Backstreet Boys, ‚N Sync und Christina Aguilera nicht gekommen. Jedes Unglück hat also tatsächlich auch sein Gutes.“ Man muss MTV ja dazu beglückwünschen, dass sie es gewagt haben, den britischen Komiker zu engagieren: Er kalauerte pausenlos über Drogen und Sex – und jeder zweite Star fürchtete sich vor seinen Ansagen. Ben Stiller schwante Böses: „Der wird mich fertigmachen.“ Ali G kündigte ihn schließlich als „zwölftwitzigsten Komiker Amerikas“ an. Claudia Schiffer, Depeche Mode und Rammstein waren ungleich schlimmer dran.

Für Betroffenheit blieb in der Frankfurter Festhalle wenig Platz. Lediglich Dämon Albarn, der mit den Gorillaz den „Best Dance“-Award erhielt, fühlte sich immerhin gemüßigt zu sagen:

„Bomben auf eines der ärmsten Länder der Welt zu werfen, ist falsch. Tut etwas dagegen!“ Die Leute schrien, wie sie es bei jedem Wort aus dem Mund eines Stars taten, und Dämon lächelte. Das war’s. Herbert Grönemeyer schwang sich als Einziger zu einer längeren Rede über die politische Lage auf. Wer sonst? „Music can’t change the world, but it can lift our spirits“, begann er in einwandfreiem Englisch und sprach von der Würde des Menschen: „Stop the war!“ Später zuckte er, auf die fehlende Anteilnahme der meisten Kollegen angesprochen, mit den Schultern: „Das kann ja kein Pflichtprogramm sein. Aber mir war es wichtig, Stellung zu beziehen, auch bei solch einer Veranstaltung.“

Anastacia, seit Monaten verschwunden, aber komischerweise für „Best

Pop“ ausgezeichnet, gab erst hinter der Bühne bekannt, dass sie sehr gerne gen Deutschland geflogen sei – obwohl ihre halbe Band beschlossen hatte, lieber doch zu Hause zu bleiben: „Ich glaube nicht an Angst, ich glaube nicht an Einschüchterung, ich glaube nicht an Negativität.“

So geht es anscheinend auch R.E.M., die sich ausgesprochen fröhlich zeigten, obwohl ihnen der Preis für „Best Group“ von Limp Bizkit weggenommen wurde, ausgerechnet Danach gefragt, ob sie sich nicht vorkämen wie auf der falschen Veranstaltung, antwortete Gitarrist und Zyniker Peter Bück mit „I hate music anyway“, während Michael Stipe für Frieden und Gleichberechtigung plädierte: „Verschiedenheit ist wichtig. Es ist genug Platz für die unterschiedlichste Musik, und wir teilen die Bühne gerne mit jeder möglichen Art von Musik.“ Tatsache ist aber doch, dass verdiente, nicht mehr ganz junge Bands wie R.E.M. zwar bei jeder Preisverleihung und Großveranstaltung gerne genommen werden, im Tagesprogramm der Musikkanäle, sei es MTV oder VIVA, aber kaum noch vorkommen. Schade, oder? Bück bestätigt grinsend, was man sich schon dachte: „Mir ist das im Grunde völlig egal.“ Michael Stipe bemerkt noch, dass ihr jüngstes Album „Reveal“ja immerhin Nummer eins in Deutschland war, was mit der Frage, warum MTV fast alle über 40 ignoriert, zwar nichts zu tun hat, aber natürlich trotzdem schön ist.

Einige der jüngeren Musiker schienen prompt ein schlechtes Gewissen zu haben. „Best UK and Ireland Act“ Craig David sang als Wiedergutmachung „One“ von U2, Fred Durst wollte seinen „Web Award“ am liebsten Depeche Mode geben, „denen steht er eigendich zu“. Brandon von Wheatus war erleichtert, gar nicht nominiert zu sein. Er wollte nur „auf derselben Bühne wie R.E.M. stehen“.

Wer sah and hörte, wie niedlich sich Durst bemühte, einmal wirklich zu singen, dann aber doch scheiterte, und wie Blink-182 praktisch keinen richtigen Ton trafen, der war froh, dass es die Alten noch gibt. Und Travis natürlich, die im Geiste ja schon dazu gehören. Keine scharfen Klamotten, keine sexy Tänzerinnen dabei – bloß einen schönen Song. Einen Award bekamen die Schotten dafür freilich nicht.

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