Das Trio Medeski, Martin & Wood fusionierte mit Jazzrock- Star JOHN SCOFIELD. Ein Wagnis mit gelungenem Ergebnis

Wie jeden Winter saßen sie mitten im Dschungel, in ihrer Hütte auf Hawaii. Ohne Strom und Telefon, fernab der Kälte im heimatlichen New York. Keyboarder John Medeski, Drummer Billy Martin und Bassist Chris Wood brauchten diese Wichen in den Tropen, um sich vom Streß der endlosen Tourneen zu erholen. Zunächst hing man einfach nur so nun, doch dann zog es sie wieder magisch an ihre Instrumente: Eine neue Groove-Idee mußte angetestet werden. Nur wenn Bier- und Stoff-Vorräte zur Neige gingen, wurde ein Trip ins nächste Kaff unumgänglich.

Bei dieser Gelegenheit konnten sie auch gleich ihren Anrufbeantworter abhören – extra für Fans installiert. Und auf dem viele Paulas oder Pauls oft nur ihr „Hi, I love you“ hinterließen. Doch diesmal war eine Message drauf, die hörte sich seltsam an: „Hi, ich bin John Scofield, der Gitarrist. Laßt uns was zusammen machen. Hier ist meine Telefonnummer.“

Der John konnte nur ein Witzbold sein. Vielleicht John Zorn? Oder etwa John Lurie? Aber John Scofield? Nie! Doch zwei Wochen später wählte John Medeski neugierig die „Scofield-Nummer“. Eine Frau ging ran, es war die Gattin der Jazzrock-Legende: „Einen Moment bitte, ich hol ihn. Er wartet schon auf euren Anruf.“

In einem New Yorker Studio traf man sich dann. Scofield brachte ein paar Stücke mit, meist noch im Skizzen-Stadium, ohne exakte „Vorgaben, was Drummer oder Bassist tun sollten. Ein ziemliches Wagnis, denn hier war der als introvertiert geltende Individualist mit der unverkennbaren Phrasierung an eine eingeschworene Bande geraten: Medeski, Martin & Wood, die drei Musketiere des Wurlitzer- und Hammond-Grungefunk.

Aber die Chemie stimmte auf Anhieb. „Wenn ich mir die Bänder unserer ersten Sessions anhöre, kann ich kaum fassen, wie nah wir einander gekommen sind“, schwärmt Scofield. Beeindruckt hat ihn auch die Haltung dieses Trios: „Als wären sie Musiker und Produzenten zugleich. Jedem Titel versuchen sie eine ganz besondere Atmosphäre zu geben. Sie experimentieren und diskutieren andauernd – total anders als diese Zusammentreffe der Jazzstars. Für mich war das wirklich lehrreich“, gesteht der Gitarrist, der überdies noch eine verblüffende Gemeinsamkeit ausmachte: „Diese Jungs spielen wie ich lockeren Funk, gehen improvisationsbetont an die Sache ran. Und die HipHop- und Second Line-Beats, das sind ja Grooves, zu denen ich als Jazzmusiker eine enge Beziehung hab.“

Daß „A Go Go“, das Resultat ihrer Zusammenarbeit, von einem hilflosen Schreiber des Jazz-Magazins JDownbeat“ dann als,JDLskomusik“ abgetan wurde, hat John Scofield eher amüsiert. „Da war mal wieder einer von der Jazz-Polizei am Werk. Die werden damit leben müssen, daß ich nicht auf Bebop abonniert bin. Die Herausforderung war stets der Swing, denn Bebop ist eine tote Kunstform, die sich nicht mehr weiterentwickelt. Ich spiele zwar gelegentlich noch Jazz-Standards – immer in der Hoffnung, daß es so selbstverständlich klingt wie Blues. Aber ich hasse die auf kompliziert getrimmten Sachen. Die Gitarre hatte ja im klassischen Jazz immer eine Außenseiterrolle. Glücklicherweise bin ich aber primär mit Rock und Blues aufgewachsen. Spielst du jedoch Saxophon, dann stehst du in der Regel bei Charlie Parker oder John Coltrane wie der Ochs vorm Berg. Ich hingegen mag sogar diese open lunings der Folkmusiker.“ Sagt’s, greift zur Gitarre, auf der er schon vor dem Interview rumgespielt hat, und schrubbt ein paar schlichte Akkorde. Auf die Nashville-Exkursionen seines Kollegen Bill Frisell angesprochen, outet sich Scofield gar als Redneck: „Es gibt nur einen triftigen Grund, warum ich wohl nie Country spielen werde – weil ich ihm so nah stehe. Die Familie meiner Mutter stammt aus den Südstaaten.“ Heute wohnt Scofield samt Sohn und Tochter nördlich von New York. „Die Kinder haben mich für manche Trends empfänglicher gemacht. Daß die Tochter heute aber statt der New Kids On The Block lieber Björk und Ambient-Musik hört, hab ich erfreut registriert. Und eines Tages schwärmte sie dann von einer Jazzband, auf die auch fast alle ihre Freunde stehen würden. Sie meinte M, M & W.“

Mit „A Go Go“ könnte „Sco“ zum Erlöser jener Gemeinde werden, die verzweifelt nach Lichtgestalten sucht, die sie den Verlust ihrer Grateful Dead vergessen lassen. Wer nun glaubt, daß ihm das nur mit M, M & W gelingen kann, wird mit der kommendenibur eines Besseren belehrt. „A Go Go“ begleiten ihn dann nämlich Organist Larry Goldings und Drummer Bill Stewart, alte Weggenossen grooviger Zeiten.

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