David Byrne: Stop Buying Shoes

Mit einem bizarren Musical und lauter Gastsängern setzt Kunstfreund David Byrne der irren Megäre Imelda Marcos ein Denkmal.

Eines, sagt David Byrne, sei früh klar gewesen in der bald fünf Jahre währenden Auseinandersetzung mit diesem besonderen Objekt seiner Neugier. Bloß kein Song über die Schuhe! Dabei sind die ja fast das Einzige, was man gemeinhin noch heute sofort mit dem Namen Imelda Marcos in Verbindung bringt. Diese gut 3000 Paare, die man nach ihrem erzwungenen Exodus von den Philippinen 1986 in der Marcos-Villa fand und die zum Sinnbild für eine egozentrische Diktatorengattin wurden. „Die Schuhe“, sagt Byrne, „erzählen vom Exzess, aber sind natürlich auch ein Witz geworden. Ich dachte: Wenn ich sie erwähne, muss ich da sofort wieder rauskommen. Und da war es mir lieber, sie gar nicht erst zu erwähnen.“

Lieber spricht Byrne in dem Song „Every Drop Of Rain“ über das Gefühl, keine Schuhe zu haben, um die andere Seite einer widersprüchlichen Frau zu erkunden, die sich auch Verdienste um ihr Land erworben hat, nicht nur mit der Handtaschendiplomatie, die sie auf dem Zenit ihrer Macht in den 70er-Jahren aufs diplomatische Parkett bis zu Mao und Gaddafi führte (und aufs Disco-Parkett im New Yorker „Studio 54“).

Die Armut ihrer Anfänge in Tacloban teilte Imelda Romualdez (so ihr Mädchenname) mit der zweiten Hauptfigur in Byrnes Songzyklus „Here Lies Love“, betitelt nach Marcos‘ Wunsch-Inschrift für ihren Grabstein. Estrella Cumpas ist womöglich bereits tot. Von der Hausangestellten, die die spätere Frau von Ferdinand Marcos quasi großzog, war nicht mal ein Foto aufzutreiben. „Dramaturgisch gesehen“, so Byrne, „ist sie hier die Stimme des philippinischen Volkes. Erst überwältigt von Glamour, Schönheit und Erfolg ihres Ziehkinds, später die Zweifel und Verdächtigungen, aber enttäuscht von Imelda ist sie dann wirklich erst ganz am Ende.“

Byrne-Kollaborateur Norman Cook alias Fatboy Slim stattete „Here Lies Love“ mit erprobten Dance-Beats zwischen Latin und Funk aus. Dazu singt Byrne selbst nur zwei Mal, dafür eine breit aufgestellte Vocal-Riege, die von alten New-Wave-Geistern wie Kate Pierson (B-52’s) über Retro-Soulerin Sharon Jones bis zu Steve Earle reicht, der in „A Perfect Hand“ mit Gusto (und Gattin Allison Moorer im Background) den balzenden Jung-Marcos gibt. „Ja“, frohlockt Byrne, „Steve macht das wirklich toll. Und politisch gesehen war’s ziemlich einfach, ihn von der Sache zu überzeugen.“

Ursprünglich war das Marcus-Opus als etwas anderes (Disco-)Musical für die Theater-Bühne konzipiert. Als die Dramaturgie dafür stockte, fand Byrne bald die opulente Notlösung. „Ehrlich gesagt hörte ich diese Ry-Cooder-Geschichte um kalifornische Autorennen und dachte: Ach, ich könnte ja auch ein Buch mit CD und DVD draus machen! So können die wirklich interessierten Leute das ganze Paket kaufen – und wer nur zwei Songs will, kann die ja downloaden.“

Byrne hat den vermeintlichen „Tod des Albums“ auf der Agenda. Man müsse den Leuten heute „einen Anreiz bieten, damit sie mehr als ein, zwei Songs hören wollen. Eine besondere Geschichte, eine Tiefe der Charaktere, die sich über mehrere Songs erschließt“. Das Album, vermutet er, werde „schon weiterexistieren, wenn auch kaum als physisches Format – weil es ökonomischer ist, gleich mehrere Songs zu promoten als nur einen“.

Und die Moral von der Geschicht‘? Byrne zögert. Sagt, er könne „keine darin sehen“. Und landet bei der „absoluten Macht, die jeder, der sie bekommt, missbrauchen wird. Menschen brauchen ein paar Regeln, an die sie sich halten müssen“.

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