Den Britpop finden WHALE öde, Geld tangiert sie wenig, stilistisch aber sind sie für alles offen

Es macht Spaß, Henrik Schyffert über seine Band Whale reden zu hören. Noch mehr Freude kommt auf, wenn er über Kollegen herzieht. Schyffert kennt kein Erbarmen; wenn er Noten verteilt, leuchten seine Augen und den rechten Mundwinkel verzieht er spöttisch gen Himmel. Puff Daddy? „Entsetzlich und geschmacklos.“ Oasis? „Videos beschissen, Alben Müll, Kleidung daneben. Obendrein nehmen sie sich viel zu ernst.“ Beatles? „Total langweilig. Britische Musik ist generell langweilig.“ Gotteslästerung jedoch ist nie langweilig – man könnte ihm daher noch stundenlang zuhören.

Doch wenden wir uns Whale zu. In welchen Sphären wähnt Henrik die eigene Band? „Nun, wir sind musikalische Genies“, prahlt er grinsend. Obwohl ironisch gemeint, spiegelt es doch recht treffend seine Haltung wieder. Null Probleme mit dem Selbstbewußtsein. Ergo ist wohl mit baldiger Welteroberung zu rechnen. Und lassen da nicht auch Oasis mächtig grüßen?

Henrik kommt aus einem Vorort von Stockholm, Whale-Sängerin Cia Soro wuchs im Zentrum auf. „Wir sind zwar eine urbane Band“, sagt Henrik, „doch uns zieht das Chaos an. Nur aus dem Chaos kann Kunst entstehen.“ Hehre Worte zwar – doch hört man Whales neues Album „All Disco Dance Must End In Broken Bones“, sind sie durchaus zutreffend, denn schon oft verblüfften schwedische Bands durch ihren so ganz anderen Umgang mit Popmusik. Stilistisch segelt Whales Musik zwar in allseits bekannten Gewässern, dennoch klingt vieles recht fremd. „Wir lassen alles sich entwickeln“, meint Cia. „Die Proben sind endlos. Fünf, sechs Stunden spielen und rumprobieren. Dann kommt die Sache erst richtig in Gang.“ Henrik: „Wir lassen da keinen Stil aus. Wenn sich also ein Song plötzlich zur Reggae-Ballade entwickelt okay, dann wird’s halt eine Reggae-Ballade.“

Eine Reggae-Ballade? Was ist das? Ach ja, da war doch das Chaos-Konzept. Immerhin hört man die Einflüsse von Dance, HipHop sowie Grunge deudich raus. „Wir lieben US-Bands wie Sonic Youth. Deren Musik ist inspirierender und interessanter als die britischer Bands.“ Trotzdem wurden Teile von „All Disco“ in London aufgenommen – und zwar unter der Regie von Chris Potter, der schon mit The Verve arbeitete. – Wie bitte? Ein Britpop-Produzent? „Chris gefiel halt unsere Musik, das war alles“, erklärt Henrik die Zusammenarbeit „Außerdem ist London für mich ein zweites Zuhause, da ich dort drei Jahre gelebt habe.“

Das Gros der Songs aber wurde in Chicago eingespielt. Haben die Whale-Kosmopoüten vielleicht gar keine schwedischen Vorbilder? Aber klar doch: „ABBA! Die Erfinder des perfekten Popsongs.“ Und Broder Daniel, eine außerhalb Schwedens unbekannte Band. Whales Song „Go When You’re Feeling Free“ zollt dem verqueren Rock-Stil dieser Band zwar Tribut, doch Henrik weiß schon jetzt: „Sie werden uns garantiert dafür hassen!“

Letzte Schrulligkeit ä la Schweden: die Größe und Besetzung von Whale. 1995 waren sie ein Trio, nun sind sie zu fünft Was einen sentimentalen Grund hat: „Wir hatten immer diesen Traum von einer richtigen Band, wie es sie in den Siebzigern gab“, erklärt Cia. „Eine Truppe mit vielen Leuten, denn so eine Band ist ein Mikrokosmos, in dem man untereinander kleine Dramen erlebt.“

Respekt! Denn nun muß man ja alle Einnahmen durch fünf teilen. Henrik muß über solche Sorgen grinsen: „Das ist uns die Sache wert.“

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