Denken statt tanzen

Mit Cam-era versucht der kreative Nukleus von Big Light einen Neuanfang: Multimedia statt schnöder Pop

Als die Berliner Formation Big Light vor nun fünf Jahren mit dem Ohrwurm „Trouble Is“ und dem Album „Pop 2000“ kurz den Sprung in die oberen Regionen der hiesigen Charts schaffte, war das ein guter Moment; das Trio kannte sich aus mit modernem Klangdesign und unverkrampfter Emphase, und das machte Hoffnung im ansonsten recht kargen Popgeschehen der Republik.

Zum großen Ruhm hat’s indes nicht gereicht. Nach drei Alben und strapaziösen Tourneen durch Deutschland hatte Big Lights musikalischer Nukleus, Karlo Hackenberger und Sven Häusler, schließlich genug. „Wir wollten einfach andere Sachen ausprobieren und unsere kreativen Prozesse nicht darauf beschränken, ab und an unseren Lichtmann zu wechseln“, erklärt Häusler. In beiden, so scheint’s, schlägt ein wahres Künstlerherz: Big Light musste sterben, um dem neuen schöpferischen Leben Platz zu machen – und dass dabei der mühsam errungene Status als halber Popstar auf der Strecke blieb, erscheint Häusler und Hackenberger auch im Nachhinein kaum als Argument. „Wir wollten wieder etwas tun“, erklärt Häusler, „das uns Spaß macht und in kreativer Hinsicht ausfüllt. Außerdem“, ergänzt er, „hatte ich einfach keine Lust mehr, Schlagzeuge zu schleppen.“ Jetzt schleppt er statt dessen Videobeamer durchs Land: Beim Verfassen der Lieder für das neue gemeinsame Projekt Cam-era habe sich eine filmische Umsetzung praktisch aufgedrängt, erzählen beide ganz beseelt, und nun sind die Aufführungen von Cam-era eher ein multimediales Ereignis als bloß ein schnödes Popkonzert. „Früher wollten wir die Leute zum Tanzen bringen“, doziert Hackenberger, „heute sitzen sie am besten auf Stühlen, hören der Musik zu und lassen dabei die projizierten Filme auf sich wirken. Es ist viel intimer geworden.“

Intimität ist ohnehin ein zentraler Begriff im Vokabular der beiden, die sowohl ihre spröde, introvertierte Popmusik als auch die filmischen Äquivalente daheim in Häuslers bescheidenem Studio im Alleingang produzieren.

„Unsere Kammer“ nennt Hackenberger ihren Ort der Auseinandersetzung mit den Apparaten, und aus seinem Mund erfährt der Begriff bald eine mythische Überhöhung: Kammer, Kamera, Cam-era zum Selbstverständis des kreativen Duos gehört ein gutes Maß künstlerischer Reflexion, und so wird der Bandname zum sinnfälligen Symbol. Es war wohl ein weiter Weg vom seichten Pop zum multimedialen Gesamtkonzept, aber bereuen werden ihn die beiden bestimmt nicht. Die Mühe hat sich gelohnt.

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