Der amerikanische Feind

Wenn Bob Dylan singt, hört die Welt weg. Wenn er nullt, steht sie an, ihn zu verklären und zu vereinnahmen. WOLFGANG DOEBELING is not amused.

Im Oval Office dürfte des Dichters Ehrentag für Disput sorgen. „That Dylan fella pushin‘ sixty“, wird der Hausherr fragen, „wasn’t he the sheriffin ,Smoking Guns‘? Great actor. We should invite him to the White House, he deserves a medaL“ – „No Sir, Mr. President“, wird der leidgeprüfte Pressesprecher einwenden, „that’s Matt Dillon. Bob Dylan is the songwriter who wrote 31owin‘ In The Wind‘. A protest singer, Sir.“ – „Protestin‘ against what?“, wird Bush argwöhnisch wissen wollen. „Well, war and ignorance, I guess“, wird die Antwort lauten. Und die Adern an der Schläfe des mächtigsten Mannes der Welt werden schwellen, seine Gesichtsfarbe ins Dunkelrote wechseln, und er wird brüllen: „That son of a bitch! 1*11 be damned if I ever shake hands with a commmunist“ – „We’ll make sure you don’t have to, Mr. President“, werden die Berater versichern, „we have prepared a letter of congratulation to Mr. Dylan. If you would just sign here on the dotted line.“ Und Bush wird seine drei Kreuze machen, zähneknirschend zwar, aber doch jeder Zoll ein Patriot, der ahnt, was er Amerika schuldig ist, dem Land der Tapferen und Freien, wo ein Mann noch ein Mann ist und tut, was ein Mann tun muss. Notfalls mit dem Teufel paktieren oder einem unamerikanischen Bänkelsänger gratulieren. Wenn der Führer der freien Welt (das ist die Welt außerhalb Chinas und Kubas) lesen könnte, wäre die Lage freilich verzwickter und das Bob-Briefing im Weißen Haus schlüge wie eine Bombe ein. Denn das hochoffizielle Glückwunschschreiben wird dick auftragen, den Jubilar mindestens einen großen Poeten heißen, einen Botschafter des Friedens und der Völkerverständigung und, selbstredend, „a true American“.

Akkoladen dieser Art werden in Myriaden auf den alten Griesgram herabregnen. Auf der Schleimspur, die Lobhudler legen werden, wird man Schlitten fahren können. Oder Bob (pardon thepun). Tatsächlich hat das tributäre Treiben längst begonnen. Tageszeitungen vor allem, deren Feuilletons sonst nur Alibi-Azubis zum Konzert schicken, wenn Bob in der lokalen Stadthalle seine Fronarbeit verrichtet, schlagen Purzelbäume und dreschen platte Phrasen. Da wird Dylan zum „Dichter der 68er Generation“ degradiert oder als „Mahner und Moralist“ beweihräuchert. // takes a lot to laugh, it takes apain in the ass to cry.

Salman Rushdie, wie sein Freund Bono stets zur Stelle, wenn Publizisten Appetit auf Sülze haben, outete sich schon ungefragt „For me“, sprach er salbungsvoll, „Bob Dylan was more important than the Beatles or the Stones even. I think nobody comes dose.“ Wäre ja okay, wenn man nicht auf die gottverdammten Mullahs schwören könnte, dass derselbe Satz, nur mit anderer Reihenfolge der Namen, im nächsten Jahr wieder fallen wird, wenn Sir Paul sechzig wird. Und im folgenden Jahr abermals als Kotau vor Keef. Da lebt es sich als Bobfan besser mit kritischen bis komischen Kommentaren. Wie der von John Peel: „I’ve mixed feelings about Dylan. I think his greatest legacy is that he made it possible for people who can’t sing to make records.“

So Bob, how does itfeel? Was bewegt das Genie, wenn es bewertet wird? Was denkt das Hirn des Erhabenen zwischen der Dauerwelle und dem mickrigen Menjoubärtchen, wenn sein Eigner verlegen grinsend einen Golden Globe oder Grammy entgegennimmt und dabei pathetischen Unsinn raunt, der nicht einmal dem Dalai Lama über die Lippen käme? „Peace, tranquility and good will“, vom Pro-7-News-Fritzen mit „Friede, Ruhe und gute Wünsche“ übersetzt und von DtMotte wohl zum Motto der Love Parade erkoren, wäre das mittlere Wort nicht so schwer auszusprechen. Dylan selber zu fragen, ist zwecklos. Das wusste Robert Crumb bereits vor mehr als 30 Jahren, weshalb er einer seiner Cartoon-Figuren den denkwürdigen Satz in den Mund legte: „Bob Dylan knows all the secrets of the universe but he ain’t telling.“ Gut möglich. But he was so much older then, he’s younger than that now. Und definitiv desorientierter. Als er einmal Dave Stewart im Londoner Vorort Crouch End besuchen woBte, klingelte er beim falschen Stewart, wurde von dessen Ehefrau unbekannterweise hereingebeten, mit Tee und Biscuits bewirtet und in ein freundliches Gespräch verwickelt, bis der Gatte von der Arbeit nach Hause kam und sich der Irrtum aufklärte. Zeitweilige Amnesie, so Beobachter, befalle Dylan dann und wann. Was immerhin den Umstand erklären würde, dass er den Überblick über die gezeugte Nachkommenschaft verloren hat, und dass er seine Songs ständig umkrempelt Böse Gerüchte, die an Bob haften wie Federn an einem geteerten Ketzer.

Dabei hätte er das unstete Leben längst an den Nagel hängen und Dinge tun können, die reiche Rockstars eben tun. Aktien kaufen, Schampus saufen, am Pool rumhängen, Supermodeis schwängern. Stattdessen lässt er sich durch die Weltgeschichte karren, tritt tausend Mal vor ein paar tausend Leute, in Leipzig oder Liverpool, mit einer Band im Rücken, die gut geölt ist, der es aber immer an Essig fehlt, und verkauft seine Kunst weit unter Wert Eine Maloche. It’s not dark yet but it’s getting there.

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