Der Eigenbrötler Bill Callahan ist SMOG. Mit verstörenden Songs beschreibt er das Seheitern jedweder Kommunikation

Die anderen, die sind wie dieses warme Orange, das aus dem Fenster einer fremden Wohnung strahlt. Verlockend, aber farfaraway. Und Bill Callahan steht vor dem Fenster und singt seine Songs, die auf die eine oder andere Art davon handeln, nicht in diese Wohnung reinzukommen. Er steht sogar wortwörtlich davor, auf dem Coverfoto zu der Single „Kicking A Couple Around“, für das er vor einem Haus in San Francisco posiert hat. Die Nacht hat sich über die Stadt gelegt, und aus den meisten Fenstern fällt anheimelnd jenes Licht, das er in „The Orange Glow Of A Stranger’s Living Room“ besingt Ein paar Fenster sind aber auch dunkel.

Besonders lange hält er es an keinem Ort aus, der Kopf von Smog, einer Band, in der er meist ganz allein spielt. Dabei sehen Apartments, in denen er bevorzugt seine Zeit verbringt, von innen überall gleich aus. Momentan hält er sich in Sacramento auf, aber auch da will er möglichst bald weg. Er kennt schon so viele Leute, das nervt. Wie wäre es mit New York, einer Stadt, von der es heißt, sie biete einem die Anonymität in der Menge? „Hast Du eine Ahnung, jeder kennt da jeden! Und wenn du auf die Straße gehst, sind da nur Menschen um dich herum. Das mag ich nicht“, sagt Callahan bestimmt, und auf seinem neuen Album singt er beschwingt: „Alone in my room I feel such a warmth for the Community.“

Viele nennen Bill Callahan einen Autisten, weil er langsamer spricht, als er denkt, also andersherum agiert als die meisten anderen Menschen. Der 30jährige hat nichts dagegen, daß seine Kunst biographisch ausgedeutet wird, und er gibt sich auch keine Mühe, die Nähe zwischen seinem Leben und seinen Liedern zu verschleiern. Doch seine Musik ist, und das wird meistens nicht anerkannt, mehr als das Dokument eines solkären Daseins. Smog schreibt an einer großen Tragödie, und deren Thema ist die Kommunikation. Tragisch sind die Songs, weil in jeder Interaktion das Scheitern bereits angelegt ist.

Auf der frühen Single „Your Face“ beschreibt der Erzähler das Gesicht seiner Geliebten, das am schönsten ist, als sie ihm einen Orgasmus vorspielt. Ein paar Jahre später – Callahan hat weitere Erfahrungen gesammelt und „Your New Friend“ geschrieben – sitzt der Erzähler in seinem Kämmerchen, während die Freundin nebenan ein harmloses Telefonat führt, das die gesamte Beziehung in Ungewißheit stürzt. Das Schöne, der Schrecken – in der Welt von Smog ist beides nur eine Folge von Mißverständnissen. Eine Tragödie, dieses Leben.

Callahan erinnert an Ingmar Bergman. Vom metaphysisch erhöhten Schweigen zwischen den Menschen bis zu den nervenblanklegenden Szenen einer Ehe beschreibt er die Unmöglichkeit der Vereinigung. Er ist präzise wie der schwedische Regisseur, der Tiefe oft in Märchen oder einfachen Metaphern sucht Hier die WüdenErdbeeten, dort die Herbstäpfel. „Red Apple Falls“ heißt das neue Album von Smog.

Seit frühen Neunzigern legt Bill Callahan in immer kürzeren Abständen Werke in Album-Länge vor: Zuerst war da nur ein melodiöses Rauschen im Home-recording-Format, jetzt spielt er ausformulierte Elegien in oftmals angeheuerter Begleitung. Geblieben ist eine so verstörende wie bezaubernde Art des Arrangierens, in der Waldhörner und Pedal Steel zwar ihren Platz haben, aber seltsam erratisch klingen. Wie das schwere Atmen der Figuren fühlt sich diese Musik an, die manchmal einfach in Intervallen aussetzt Als hätte, etwa im „Hangman’s Blues“, der Musiker kurz aufgehört zu atmen.

Wenn Smog-Platten enden, ist alles ganz weit und leer – da ist keine Illusion und kein Schmerz. Deshalb klingt dann auch Callahans letzter Satz auf dem jüngsten Album wie ein Glücksversprechen: „And so I find myself/ Isolated in these fine fine days.“ Heiter geht die Kunst zu Ende, nachdem sie einem alles genommen hat, an das man glauben wollte.

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