Der elegische Hüne in Schwarz-Grün: Leben und Tod von Peter Steele
Zwischen Totengräber und Playgirl-Model: Wir erinnern uns an Type-O-Negative-Sänger Peter Steele.
Er war ein Riese, im wahrsten Sinne des Wortes. Zwei Meter groß, stechende grüne Augen. Muskulös, mit einer Stimme, die klingt, als würde tagaus, tagein archaische Grabreden rezitieren. Dann die Ästhetik: Teil Goth, Teil Vampir, Teil Porno, Teil Grabschaufler – und auch dieses Jungenhafte, diese für New Yorker oft typische, leicht sarkastische Ader. Katholizismus war ebenfalls im Mix enthalten, die Schuld, die Sühne – aber auch das Dionysische, die Lust am Rausch und die Suche nach Ekstase.
Peter Steele: Kindheit und Anfänge
Peter Steele wurde am 4. Januar 1962 in Red Hook, Brooklyn als Peter Thomas Ratajczyk geboren. „Red Hook, Brooklyn, New York, um 3:45 Uhr morgens. Ich war 60 Zentimeter lang – meine Mutter meinte, es war, als hätte sie einen Kürbis geboren“, erinnerte er sich in seinem letzten großen Interview mit dem „Metal Hammer“.

Steele war das jüngste von sechs Kindern und wuchs mit fünf älteren Schwestern auf. „Wenn ich etwas falsch gemacht habe, hatte ich fünf zusätzliche Mütter“, sagte er. „Sie nannten mich ‚Oops‘.“ Als Kind entwickelte er einen Hang zur makabren Inszenierung. „Ich habe meinen Schwestern erzählt, dass Ratten sich in High Heels einnisten. Dann habe ich rote Lebensmittelfarbe mit Kartoffelbrei und Stecknadeln gemischt, die Masse in ihre Schuhe gefüllt und sie angewärmt. Das Geschrei war unglaublich.“
Geprägt wurde seine Kindheit auch durch den katholischen Glauben – was ihn auch später noch prägte, wenngleich auf etwas andere Art und Weise: „Ich war früher Atheist, aber wurde als römisch-katholisch erzogen“, sagte er. „Ich gehe jeden Samstag in die Kirche und streite mit dem Priester – denn die Bibel ist einfach eine verdammte Metapher.“
Erste musikalische Gehversuche und Gründung von Type O Negative
Steeles erste Band nannte sich Fallout – eine kurzlebige Formation zwischen Metal und Hardcore. Später gründete er Carnivore, eine Band, die mit provokanten Texten für Aufmerksam sorgte. 1985 erschien das selbstbetitelte Debüt, zwei Jahre später das Nachfolgealbum Retaliation. „Niemand hat verstanden, worum es bei Carnivore wirklich ging“, sagte Steele später in einem Interview. „‚Jesus Hitler‘ – das war ein Vergleich zwischen organisierter Religion und Totalitarismus. Zwei Seelen in einem Körper.“
Carnivore lösten sich 1987 auf. Steele arbeitete für das städtische Grünflächenamt von New York, zunächst als Fahrer eines Streuwagens, später wurde er Parkaufseher befördert. 1989 gründete er, gemeinsam mit Sal Abruscato, Josh Silver und Kenny Hickey, die Band Type O Negative.

Der Aufstieg von Type O Negative
Nach ersten Demos unter dem Namen Repulsion unterschrieb die Gruppe beim renommierten Metal-Label Roadrunner Records. 1991 erschien das Debütalbum Slow, Deep and Hard. Steele verband Doom mit Liebeskummer, sorgte mit seinen Texten aber auch für Kontroverse. Vor allem der Song „I Know You’re Fucking Someone Else“ brachte Steele den Vorwurf der Misogynie ein – Vorwürfe, die Steele später als grotesk zurückwies.
„Ich wurde von einer Frau verarscht, deren Namen ich nicht nennen werde. Wenn ich ihr das angetan hätte, was sie mir angetan hat, würde sie rumschreien: ‚Schwanzlutscher, Wichser‘. Also, als ich Worte wie ‚Schlampe‘, ‚Hure‘ oder ‚Fotze‘ benutzte… ich bin nicht stolz auf diese Sprache, aber ist es nicht besser, dass ich einen Song wie ‚I Know You’re Fucking Someone Else‘ schreibe, als mit einer Spitzhacke bei ihr aufzutauchen und sie umzubringen?“
1993 folgte für Type O Negative und Peter Steele der Durchbruch. Mit „Bloody Kisses“, erschienen auf Roadrunner, feierte die Band ihren Welterfolg und fand auch zu ihrer Form: düstere, aber extrem eingängige Songs zwischen Verzweiflung und Erotik, Schuld und Sakrileg. Nach dem Mega-Erfolg von Bloody Kisses folgte 1996 das Album October Rust, das für viele als eines der besten Werke der Band gilt. Mit Songs wie „Love You To Death“ oder „Be My Druidess“ setzte Peter Steele auf eine ausgefeilte Theatralik.
Drei Jahre später erschien World Coming Down – eine Sammlung von Klageliedern über den Tod, ein düsteres Werk. Songs wie „Everyone I Love Is Dead“ und „Everything Dies“ zeigen Pete Steeles Verzweiflung über den Tod. „Ich habe Probleme mit Liebe und ich habe Probleme mit Verlust“, sagte Steele. „Das Ganze zieht sich durch mein ganzes Leben.“ Insgesamt veröffentlichten Type O Negative sieben Alben. Das letzte Werk der Band erschien 2007 und hieß „Dead Again“.
Peter Steele: Das legendäre Playgirl-Cover
1995 ließ sich Peter Steele für das Magazin Playgirl ablichten – und spielte mit dem Image eines Pornostars. Später erzählte er, er habe nur unter der Bedingung zugesagt, dass das Shooting möglichst explizit sein dürfe. Die Verantwortliche des Magazins habe ihn gefragt, ob er sich das wirklich zutraue – worauf er trocken geantwortet habe, wenn sie ihren Teil einhalte, halte er seinen auch.
Ob das tatsächlich so stattfand, bleibt offen – die veröffentlichten Bilder zeigen zwar viel, aber nicht alles. Steele sah das Shooting später durchaus kritisch. Er habe sich letztlich nur auf die Aktion eingelassen, weil er auf Publicity aus war. „Im Rückblick war das dumm – ich habe mich zum Narren gemacht“, sagte er.
Als das Heft erschien, fanden seine Schwestern es in einem Zeitungskiosk und nahmen es mit nach Hause. Seine Mutter habe nur trocken kommentiert: „Deshalb hab ich ihn Peter genannt.“
Carnivore-Reunion
2006, nach dem Tod seiner Mutter und einer längeren kreativen Krise, überraschte Steele mit einer Reunion seiner alten Thrash-Band Carnivore. Er erklärte das im Interview mit Louder Sound so: „Die anderen Jungs in Type O sind verheiratet, haben Kinder. Ich bin nicht verheiratet und habe – zumindest glaube ich das – keine Kinder. Ich wollte nicht rumsitzen und nichts tun, also habe ich ein paar alte Freunde gefragt, ob sie Bock auf Carnivore haben – aus Spaß und für ein bisschen Geld, wobei der Spaß im Vordergrund steht.“
Für Steele galt es auch, wieder ein Ventil für seine Wut zu haben: „Ich habe eine A-Persönlichkeit. Ich halte alles in mir und wenn mir dann jemand auf den Fuß tritt, schlage ich ihm einen Betonklotz auf den Kopf.“ Die Wut musste raus – musikalisch. „Es war, als wäre ich wieder 25. Ein klangliches Ventil.“
Dass er Carnivore und nicht Type O reaktivierte, lag auch an seiner Enttäuschung über den Lauf seines Lebens: „Ich bin wirklich sauer, dass ich 45 bin. Das ist wie der letzte verdammte Wutanfall eines alten Mannes.“ Die Wiederbelebung der Band wurde für ihn zu einem Akt der Selbstvergewisserung – eine Möglichkeit, sich selbst zu spüren, losgelöst vom Gothic-Pathos seiner Hauptband. „Wann immer wir Zeit haben, spielen wir. Und gehen dann mit 20 Dollar in der Tasche nach Hause. Okay, ich lüge – 25.“

Drogensucht und Depression
Die 2000er-Jahre waren ein sehr schwieriges Jahrzehnt für Peter Steele. Er geriet mehr und mehr in eine Abwärtsspirale. Besonders der Verlust seiner Mutter im Jahr 2005 riss ihn in ein tiefes Loch: „Der Tod meiner Mutter war wahrscheinlich das Schlimmste, was mir je passiert ist“, sagte er 2007 im Gespräch mit dem Magazin Metal Hammer. „Ein Jahr lang war mein Motto: Warum sollte ich überhaupt noch irgendetwas tun – essen, proben, spielen?“
Steele suchte Trost in Alkohol und Kokain. „Ich habe mich zugedröhnt, bis ich dachte, ich sei der Papst“, erinnerte er sich im selben Interview. „Ich bin in sowjetischen und Nazi-Uniformen herumgelaufen, habe ein Schild vor die Tür gestellt: ‚Einbrecher willkommen‘, die Tür offen gelassen und mit Nachtsichtgerät unter dem Bett gewartet. Aber es kam niemand.“
Rückblickend bereute er seine Entscheidungen. „Ich habe mit 35 angefangen, Kokain zu nehmen. Was für ein verdammter Idiot macht das? Ich war in guter Verfassung, habe trainiert – ich hätte es besser wissen müssen.“ Auch in seinen späteren Jahren spürte er die Auswirkungen. „Prozac hat mir sehr geholfen. Aber ich muss ehrlich sagen: Ich vermisse mich selbst. Ich vermisse den Menschen, der ich einmal war“, sagte er gegenüber Metal Hammer.
Peter Steele sprach mehrfach offen über seine psychische Verfassung. Gegenüber dem Portal „Blabbermouth“ erklärte er kurz vor Veröffentlichung des Albums Dead Again: „Ich war eigentlich schon immer ein sehr depressiver Mensch, aber das ist nur eine Seite von mir. Es hilft mir, wenn ich meine Depression, meine Wut, meine Frustration durch Musik ausdrücken kann. Sonic Therapy. Was mich wirklich glücklich macht, ist, die Menschen glücklich zu machen, die ich liebe. Das ist echtes Glück.“
Im selben Interview erklärte er auch, nicht ganz clean zu sein: „Also, ich bin nicht bei hundert Prozent – Alkohol ist schließlich auch eine flüssige Droge. Ich war ein paar Jahre ziemlich tief im Kokain drin. Ich will nicht behaupten, dass ich ein Engel bin oder vollständig clean – manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich wieder schwach werde.“
Peter Steele: Sein Tod
Am 14. April 2010 starb Peter Steele im Alter von 48 Jahren. Zunächst wurde Herzversagen vermutet, später wurde öffentlich gemacht, dass eine unbehandelte Divertikulitis mit Sepsis der Grund war. Sein Gesundheitszustand hatte sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Er wurde auf dem St. Charles Cemetery in Farmingdale, New York beigesetzt. Peter Steele hatte keine offiziell bekannten Kinder.