Der gute Sohn

Die Medien sind sich schon einig: Mika wird mit seinem Operetten-Pop der neue Pop-Superstar

Der Künstler liebt die große Geste: „Ich darf es nicht sterben lassen!“, erklärt Mika zur Begrüßung und legt dann dramatisch ein kunterbuntes Plastik-Ei auf den Tisch. „Wenn es stirbt, verliere ich 50 britische Pfund, so geht die Wette mit einer Freundin.“ Kurzes Schweigen. So so, ein Tamagotchi. Werden die überhaupt noch hergestellt? „Oh ja“, jauchzt die neue Pop-Sensation aus England und reißt dabei die großen braunen Augen ganz weit auf: „Ich finde die soooo cool.“

Mika, darauf haben sich offensichtlich alle Medien von der honorigen „Times“ bis zum kreischigen RTL geeinigt, Mika wird der nächste Superstar des Pop. Nur Querköpfe stellen da die kindische Frage: Warum? Weil der 23-Jährige noch höher singen kann als Scissor Sister Jake Shears? Zum Beispiel. Und wenn er will, trifft er obendrein noch die Stimmlage von Freddie Mercury. Außerdem klingen die Songs des Debütalbums „Life In Cartoon Motion“ so durch und durch positiv, radiofreundlich und tanzbar, wie sie heißen: „Lollipop“, „Love Today“, „Relax, Take It Easy“, „BigGirl (You Are Beautiful) oder“Happy Ending“. Die Welt von Mika – Popstars brauchen keine Nachnamen – ist malkastenbunt, liebenswert freundlich und so perfekt wie ein Linda-Perry-Song. Dabei hat der Sohn einer Libanesin und eines Amerikaners praktisch alles selbst gemacht: Songs geschrieben, oder zumindest mitgeschrieben, Keyboards gespielt, selbst bei der Produktion hat er Hand angelegt.

Doch von seiner persönlichen Geschichte, die sich in Beirut, Paris und London abspielte und nicht immer fröhlich war, hört man kaum etwas auf „Life In Cartoon Motion“. Dabei war Mika mal so etwas wie ein notorischer Schulverweigerer: „Wenn die Lehrer einen Schüler nicht mögen, ist er normalerweise bei seinen Schulkameraden beliebt: Mich haben beide gehasst – die Lehrer und die Schüler.“ Fröhlich plappernd erzählt Mika, dass er in London monatelang gar nicht zur Schule gegangen sei. Seine Mutter hoffte auf die heilende Kraft der Musik und ergriff Maßnahmen: „Ich lernte Singen bei einer sehr strengen russischen Gesangslehrerin, außerdem habe ich täglich mehrere Stunden alleine geübt. Dadurch kam ich wieder auf die Beine. Zumal ich wenig später meinen ersten Gesangs-Job hatte. Im Chor des Royal Opera House – ‚Die Frau ohne Schatten‘, von Richard Strauß.“

Seitdem singt Mika. Und weil er aus einem guten Elternhaus kommt, studierte er später auch noch am Londoner Royal College of Music. Jetzt klingt er so himmlisch perfekt, als er hätte er seine Seele nicht – wie allgemein üblich – dem Teufel verkauft, sondern einer höheren Instanz.

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