Der letzte Bus zum Nebelwald

Radio Dept. aus Schweden pusten neues, schläfriges Leben in den Shoegazer-Pop und singen - untypisch fürs Genre - über die Abwesenheit von Sex

Schweden, Schweden, Schweden, nein, nein, wir reden uns das nicht ein: Dort wird die gesamte Musikgeschichte nachgebaut, in einer Art Freilichtmuseum. Der schwedische Morrissey ist längst da (er heißt Hakan Hellström), aber der singt nur schwedisch, das veröffentlicht die deutsche Virgin vorsichtshalber nicht. The Radio Dept.: die schwedischen Shoegazer. Erklären? Die eher unbeliebte Sanftschwemme an ätherischen, elysischen Studentenstadt-Bands, die Anfang der neunziger Jahre in den Elefantenspuren von My Bloody Valentine liefen. Radio Dept., ausgesprochen Radio Department, machen da weiter, es ist betörende, dämmrige Musik.

Das Letzte, was wir von ihnen wissen wollen, ist Genaues über die Songtexte, die man bei Shoegazern nicht versteht, weil die Gitarren wie brennende Ölteppiche drübendampfen, und bei My Bloody Valentine ging es eh nur um Sex. Radio Dept.-Sänger Johan Duncanson singt auf dem Album „Lesser Matters“ aber vom Gegenteil, vom Schicksal der Liebe, das mit dem Schicksal der Band verknotet zu sein scheint: 1995, als Radio Dept. in Malmö zusammenkamen, lernte er ein Mädchen kennen („An American would say: my high school sweetheart“), das sich erst kurz vor dem Plattenvertrag wieder von ihm trennte. Von ihr, sagt er, handeln die meisten Lieder. Und sie fände das doof.

Den Song „1995“ zum Beispiel, in dem er den Bus verpasst und trotzdem zu ihr läuft, beim Kaffee mit ihr über Indie-Platten spricht und morgens das erste ist, was sie beim Augenöffnen sieht. „Wenn man früher glücklich war, schreibt man heute darüber. Wenn man heute glücklich ist, trifft man sich mit Freunden und hat deshalb keine Zeit zum Schreiben. Man versucht, schöne Sachen zu machen, an die man sich dann in der Zukunft erinnern kann.“ Duncansons Lieblingslied ist „Being Boring“ von den Pet Shop Boys.

Mit Gitarrist Martin Larsson nimmt er die Stücke erst am Computer auf, so entstand der jenseitige Gesangs-Stil: weil Duncanson glaubte, seine Stimme sei nichts, weil er es dann zaghaft probierte und Larsson meinte, das könne er so beibehalten. „Wir mögen keinen Rock! Wir mögen es nicht, wenn Musik verschwitzt und chauvinistisch wird.“ In Schweden gibt es sogar ein richtiges „Anti-Rock Movement“, angeführt von der Göteborger Band The Embassy, also den Streit der Sechziger gegen die Siebziger innerhalb des Themenparks. „Wir wollen niemanden deshalb umbringen“, sagt Duncanson. „Bei The Embassy bin ich mir da nicht so sicher.“ Man könnte drüber schreiben, wenn es vorbei Ist.

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