Der RS-Report: Drogen und Musik in Deutschland. Interview: „Wer hat was, wo kriegen wir was her?“

Drogen sind in der Musik allgegenwärtig. Unser Autor Jochen Förster sprach mit Lena aus Berlin - Konsumentin und Kennerin. Ihr Fazit: Es ist fast zu leicht, an Drogen zu kommen.

Du und deine Freunde, ihr seid viel in der Berliner Clubszene unterwegs. Ist es leicht, in Berlin an Drogen zu kommen?
Es ist fast schon zu leicht. Die Drogen sind überall und aus der Clubszene nicht wegzudenken.

Wie sieht ein typisches Wochenende bei euch aus?
Das Ausgehen beschränkt sich ja längst nicht nur aufs Wochenende. Außer man ist fest angestellt und hat einen 9-to-5-Job. Ich selbst kenne aber nur wenige, auf die das zuträfe, die meisten arbeiten recht flexibel. Reizvoll am Berliner Nachtleben ist ja, dass es so vielfältig ist und sich längst nicht auf die bekannten Clubs reduzieren lässt, wie etwa Berghain, Golden Gate oder Wilde Renate. Ist man erst mal im Verteiler drin, erhält man über restrealitaet.de gute Ausgehtipps, sodass man oft auf inoffiziellen Open-Air-Partys oder sonstigen Einmal-Partys landet. Was den Ablauf angeht, so treffen wir uns erst einmal privat oder in einer Bar, trinken etwas, rauchen Spliffs, aber meist kommt die Drogenfrage ziemlich schnell auf: Wer hat etwas, wo kriegen wir etwas her? Wenn das geklärt ist und irgendwann die Lust zum Tanzen aufkommt, gehen wir auf eine Party, von dort aus ziehen wir dann unter Umständen weiter oder machen Zwischenstopp bei jemandem zu Hause. Für viele Orte gelten bestimmte Zeiten, sodass sich daraus die Route ergibt.

Und wie lange seid ihr unterwegs?
Mittlerweile selten unter 24 Stunden, gerne auch mal 36 Stunden, in Ausnahmefällen auch mal zwei bis drei Tage nonstop.

Warum nimmst du Drogen?
Sie erzeugen ein schönes Gefühl in mir. Das Tanzen macht mehr Spaß. Man tut und erfährt Dinge, die man normalerweise so nicht getan oder erfahren hätte. In einigen Fällen können sie auch erkenntnisfördernd sein. Insgesamt steigern sie die Empfindung. Ich genieße diese Intensität und die gefühlte Nähe zu Menschen, weiß aber gleichzeitig auch, dass dieses Gefühl vorübergehen wird. Man lernt, diese Gefühle nicht zu ernst zu nehmen.

Woher bekommt ihr die Drogen?
Ich selbst habe die Nummer eines Kokain-Dealers, der in 10 Minuten zur Stelle ist. Den nehmen wir allerdings nur sporadisch in Anspruch, normalerweise werden die günstigeren Varianten bevorzugt. Einige Leute haben gute Kontakte, es gibt in Kreuzberg viele Läden, wo man mit großer Sicherheit jemanden antrifft, der einem weiterhelfen kann. Fremde spricht man eher nur in Ausnahmefällen an.

Wovon hängt es ab, was ihr nehmt?
Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Es wird genommen, was zur Hand ist. Ketamin ist der große Newcomer, Pillen sind nicht mehr so präsent. Ansonsten gibt es noch Speed, MDMA, Acid und Mushrooms. Der letzte Winter stand im Zeichen von Meow, das wir übers Internet bezogen haben. Als Meow verfügbar und legal war, haben es alle von uns genommen, und zwar so gut wie ausschließlich. Als es schwer zu kriegen und illegal war, hat es plötzlich niemand mehr vermisst. Man nimmt, was da ist, und auch durcheinander – allerdings auf die Dauer der Ausgehzeit verteilt. Speed und Koks geben einem neuen Schwung, Mushroom und Acid spart man sich eher für die ruhigeren Phasen auf, am liebsten draußen in der Sommerzeit. Einen klaren Plan oder Vorsatz, welche Drogen man wie nimmt, gibt es nicht, in meinem Bekanntenkreis werden die Drogen relativ wahllos eingeworfen.

Hast du den Eindruck, dass die Mehrheit der Clubgänger weiß, wie sie mit Drogen umgehen muss?
Die große Mehrheit weiß, was sie tut, aber ich habe auch einige Leute gesehen, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Man muss auf seinen Körper hören und darf nicht zu viele Drogen in zu kurzer Zeit einnehmen.

Kannst du dir überhaupt noch vorstellen, in einen Club zu gehen, ohne Drogen zu nehmen?
Das habe ich schon lange nicht mehr ausprobiert.

Woher wisst ihr, ob ein Stoff in Ordnung ist?
In der Regel vertraut man den Leuten, die ihn schon probiert haben. Die Erfahrungen mit bestimmten Drogen werden weitergegeben und sprechen sich schnell herum.

Gibt es eine Droge, von der du lieber die Finger lässt?
Ich persönlich lasse die Finger vom Haschisch, da es meinem Kopf nicht gut tut.

Was war deine schönste Drogenerfahrung?
Acid oder Mushrooms im Freien. Das kann eine sehr persönliche und bewusstseinserweiternde Erfahrung sein, die über das bloße Spaßhaben hinausgeht.

Und deine unangenehmste Drogenerfahrung?
Ich denke nicht so gern an einen Mittag in der Bar 25 zurück, als ich auf Mushrooms eine Ewigkeit lang unfähig war, mich zu bewegen.

Hast du Angst vor Folgeschäden? Merkst du Veränderungen an dir?
Ich hatte anfangs Angst vor Auswirkungen auf meine Psyche. Diese Befürchtungen haben sich mittlerweile gelegt. Mein Drogenverhalten hat mich nicht deprimierter oder unsicherer oder psychisch labiler werden lassen. Körperlich hinterlässt eine 36-Stunden-Party natürlich schon ihre Spuren. Man sollte sich für die nächsten Tage nicht zu viel vornehmen.

Würdest du dich als süchtig bezeichnen?
Nein. Mein Drogenverhalten ist abhängig von dem Umfeld, in dem ich mich aufhalte. Mit dem einen Freundeskreis ist es nicht mehr vorstellbar, ohne Drogen auszugehen, mit dem anderen kommt die Drogenfrage gar nicht erst auf. Süchtig im klassischen Sinn machen mich diese Drogen nicht.

Woran merkst du, wenn du nicht mehr kannst, bzw. wann du aufhören musst?
Wenn man wirklich müde ist und der Körper nicht mehr kann. Dann hilft auch kein Speed oder Koks mehr. Dann wird es Zeit, nach Hause zu gehen.

Wie ist es mit dem Danach? Hast du bestimmte Tipps und Tricks, die dir das Runterkommen erleichtern?
In meinem Augen wird das Runterkommen oft überbewertet. Ich selbst empfinde den Alkohol-Kater zum Beispiel körperlich als viel aggressiver. Es ist wie mit allen Dingen: Ist die Grundstimmung gut oder ist man glücklich, dann ist auch das Runterkommen kein Problem. Ist man unausgeglichen oder unglücklich, dann kann es sehr anstrengend sein.

Hast du schon mal daran gedacht, mit dem Drogennehmen aufzuhören?
Ich weiß, dass es dazu kommen wird, irgendwann werden mir die Clubs und die Drogen nicht mehr wichtig sein. Es ist eine Phase in meinem Leben, die irgendwann beendet sein wird.

Im großen Rolling-Stone-Report unserer aktuelle Ausgabe kommen Künstler und Konsumenten (manchmal sind oder waren sie beides zugleich) ebenso zu Wort wie Legalisierungsbefürworter und -gegner. Rollingstone.de wird das Thema im Dezember ausführlich mit Interviews und Features begleiten.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates