Der Sound der Unterwelt

Der neben Jörg Fauser hoffnungsvollste deutsche Krimiautor der Achtziger, Ulf Miehe, wird mit einer Neuauflage seines Romans "Puma" geehrt. Zeit für eine Wiederentdeckung.

Seine drei großen Romane schrieb er zwischen 1973 und 1981 – und als er acht Jahre später starb, verlor Deutschland seine größte Krimi-Hoffnung. Denn Ulf Miehe hatte mit gerade mal 48 geschafft, wovon ganze Armeen Deutsch schreibender Krimi-Autoren nur träumen können: Seine Romane hatten die deutschen Grenzen bereits kurz nach ihrem Erscheinen locker übersprungen – und im Ausland mächtig für Furore gesorgt. So auch und vor allem in den USA, wo Miehes Romane mehr als 300 000 Mal verkauft wurden. Dass man das „Raubvogelgesicht mit Sonnenbrille“ („Süddeutsche Zeitung“) inzwischen in einem Atemzug mit dem 1987 verstorbenen Jörg Fauser nennt, wenn es um deutsche Kriminalromane geht, scheint ihn zu ehren. Tatsächlich aber war Miehe, dessen großer, wuchtiger Roman „Puma“ (Dumont, 11,95 Euro) jetzt endlich wieder auf dem Markt ist, im Vergleich mit Fauser der mutigere Autor. Denn wo Fauser alles daran setzte, den Sound von Chandler und Hammett in ein adäquates Deutsch zu übertragen, strebte Miehe nach einem Kriminalroman, der sich eigenständig an der bundesdeutschen Wirklichkeit orientierte – und gleichsam mit allem wucherte, was einen hart gesottenen Noir-Roman ausmacht.

Bereits im ersten Anlauf war ihm 1973 mit „Ich hab noch einen Toten in Berlin“ etwas Seltenes geglückt: ein deutscher Krimi, der Bilder evozierte, die wie von selbst im Hirn abrollen; Kopf-Kino – aus Sprache gezaubert, eine illusionslos-realistische Prosa, die das zentrale Thema jeder ernsthaften Kunst mit den Mitteln der Spannungsliteratur durchdeklinierte: das Verhältnis von Schuld und Sühne. Kaum drei Jahre später erschien Miehes grandiose, in ihren besten Momenten an die filmischen Noir-Meister werke Jean-Pierre Melvilles erinnernde Unterweltballade „Puma“. Ein mitreißendes Genrestück um Solidarität, Treue, Liebe und Verrat. Der Roman erzählt die Geschichte des gerade aus dem Gefängnis entlassenen Franz Morgenroth, der einen Killer und einen Autoschieber anheuert, um die Tochter eines millionenschweren Rüstungsfabrikanten zu entführen. Dass man dabei wie auf einer zweiten Tonspur immerzu den Sound Bob Dylans im Ohr zu haben meint, verleiht dem Roman seinen geradezu süchtig machenden Schmelz.

Als 1981 „Lilli Berlin“ erschien, war der Wahlmünchener Miehe ganz oben:

Seine Romane wurden als „Glücksfälle in deutscher Sprache“ gefeiert, und seine Auflagenzahlen bewegten sich in Sphären, von denen andere nur träumen können. Als der Lebensfaden 1989 nach einer Hirnblutung jäh riss, hinterließ Miehe drei bis in ihre feinsten Verästelungen mit deutscher Wirklichkeit gesättigte Noir-Romane, die noch immer ihresgleichen suchen auf der inzwischen dicht besiedelten deutschen Krimi-Landkarte.

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