Der Triumph des Verfemten

Morrissey: "ComeBack To Camden"

Wie einst Napoleon für 100 Tage nach Frankreich zurückkehrte und Oscar Wilde aus dem Reading Gaol, so betrat MORRISSEY wieder britischen Boden. Doch anders als bei jenen, ist sein Triumph offenbar von Dauer. Gegangen war er in Schimpf und Schande, er, der Sänger des Britischseins, der Empfindlichkeit, des Naserümpfens, des Dandytums und der Kunst der Beleidigung. „You Are The Quarry“ – aufgenommen mit denselben Rockern wie zuletzt, bloß mit neuem Produzenten – ist genau die Morrissey-Platte, auf die man nicht mehr gehofft hatte. Die Songs passen ihm wie angegossen. Der Gesang strahlt. Der Rockismus hält sich in Grenzen. Die Texte schillern, provozieren, amüsieren, rühren. Und: Es gibt Melodien.

„Irish Blood, English Heart“ war nur der Anfang. Auch die Sudler vom „NME“ haben Ruhe gegeben – was doch so ein Wechsel der Generationen ausmachen kann! über den „smelly NME“ hatte Moz ebenso gespottet wie über „smelly uniforms“ in einem neuen Stück. Zwar schuldet er Andy Rourke viel Geld und schwört ihm Rache, doch für ein standesgemäßes Anwesen in Los Angeles hat es gereicht. Dort schmollte Moz ein paar Jahre, hatte auch schon „First Of The Gang To Die“ fertig und „I Like You“ und etwas namens „Mexico“, nur das Album wollte nicht erscheinen. Bei Sanctuary unterschrieb er schließlich, einem Gemischtwarenuntemehmen, das noch das alte Reggae-Label Attack im Programm hatte – ein Schmankerl für den stets aufs Renommee bedachten Künstler, der bereits His Masters Voice und RCA Victor angestrengt hatte. Die Bande von 1992 hat heute nichts mehr zu sagen oder ist dem Tagesgeschäft entrückt; mancher Altvordere giftete gegen Mark Simpsons brillante Studie „Saint Morrissey“, in dem das Gesamtkunstwerk Stephen Patrick Morrissey von der nordenglischen Hausfrau hergeleitet wird. Die Textanalyse ist bestechend. „Vauxhall & I“, „Piccadilly Palare“, „Suffer Little Children“, „What Difference Does It Make“ jeder Titel, jeder Text hat Referenzen, und fast alles steht für eine Wunde, eine Beleidigung, einen Schmerz. Ich ist natürlich kein anderer, wenn man Morrissey heißt – nach sieben Jahren Abstinenz hat der „Guv’nor“ („NME“) einiges zu nörgeln und nichts zu bereuen, erklärt das unrühmliche Cover der Platte „Maladjusted“, den Dolchstoß der Plattenfirma und den falsch verstandenen Patriotismus. Selbstmitleid warf man ihm angesichts des Songs „You Know I Couldn’t Last“ vor. Dabei ist es das Schlüsselstück, in dem sich der alternde Meister von dem Flohzirkus, dem Merchandising und der Registrierkasse verabschiedet. Sollte er je das Zeitliche segnen, wird er eine Tapete seines Geschmacks vor Augen haben.

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