Die Axt im Haus

Die Jungs von The Magic Numbers holten einfach ihre Schwestern in die Band

Im Londoner Club „Canvas“, gut versteckt in einem Lagerhaus im „King’s Cross Goods Yard“, feiert sich die Musikindustrie heute abend selbst. Im Rahmen der jährlich abgehaltenen Diesel-U-Music Awards werden die besten imsigned artists Großbritanniens sowie einiger anderer Länder gekürt, die sich über Wettbewerbssiege, Mundpropaganda und Londoner Lokalheldentum einen Weg zur Nominierung bahnen konnten und nun auf den Durchbruch hoffen. Und Gang Of Four bekommen einen Lifetime Achievement Award, wo gibt’s denn sowas?

Ein paar Stunden später werden die Magic Numbers das Ende des Abends einläuten, und das paßt ja: Das doppelte Geschwisterpaar hat vertragslosen Musikern unlängst vorgemacht, wie es gehen kann mit dem Erfolg: Lange vor Veröffentlichung ihres Debüts kamen zu ihren Konzerten bis zu 2000 Leute, kaum vorstellbar. „Wir haben die Industrie mit heruntergelassenen Hosen erwischt“, grinst Vormann Romeo Stodart, „die Dinge entwickelten sich so schnell, daß wir selbst nicht hinterherkamen.“

Stodard sitzt zusammen mit seiner Schwester Michele und Trommler Sean Gannon oben auf der Dachterrasse die Zeit bis zum Auftritt ab, weit weg von Lärm, Champagner und Business-Geschwätz. Ganz freundlich-warmherzige Menschen sind das, die in wirklich gar kein Konzept passen und den schnellen Ruhm noch nicht in ihre Persönlichkeit umgesetzt haben; bloß Sean, der irischstämmig ist und schon immer in London lebte, ist ein Zyniker. „Romeo und ich spielen seit zwölf Jahren zusammen, haben aber nie die richtigen Leute gefunden“, erzählt er. „wenn wir nur hingesehen hätten! Die ganze Zeit lag die Lösung so nahe. Aber wer will schon mit seinen Schwestern in einer Band spielen?‘ Die Geschichte im Schnelldurchlauf: Die Geschwister Stodard wachsen in Trinidad auf, die musikalischen Eltern sorgen Mir die richtige Sozialisation. Nach ein paar Jahren in New York wechselt die Familie Mitte der 90er nach London, wo Romeo gleich auf Sean trifft und die konkrete Band-Historie beginnt. „Ich habe Romeo und Sean oft im Proberaum ausgeholfen, wenn sie mal wieder ihren Bassisten gefeuert hatten“, erinnert sich Michele, „irgendwann mußte ich aus demselben Grund mit auf die Bühne, und auch Angela (Gannon, Seans Schwester) war dabei. Da fiel es uns wie Schuppen von den Augen.“ Seither geht es mutig voran mit den Magic Numbers: Tourneen mit Travis, Konzerte mit U2 und Coldplay, „Mercury“-Nominierung – und das für eine Platte, die durch alle Raster fällt. Auf „Magic Numbers“ hört man vier Individualisten, die ihre Songs mit viel Schlichtheit, Naivität und Lust am unorthodoxen Arrangement spielen, quirlig und lieblich melancholisch, nie prätentiös. Das Tolle ist, wie ungekünstelt jeder im Quartett seinen Teil zum Lied dazu tut, ohne auf den Nachbau von Standards zu schielen. „Wir haben nach Leuten gesucht, die die Lieder nicht kaputtspielen, sondern am Leben lassen“, erklären Romeo und Sean, „daß unsere Schwestern die einzigen waren, die das hinbekommen, kommt uns im Nachhinein gar nicht komisch vor.“

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