Die besten Sänger aller Zeiten (5): John Lennon

Er hielt es für sein Recht, sich zu äußern, und das verleiht seiner Stimme ihre bemerkenswerte Identität.


Die besten Sänger aller Zeiten (5): John Lennon

Text von Jackson Browne

In allem, was John Lennon machte, lag eine ungeheure Intimität, die sich mit einem beeindruckenden Intellekt paarte. Das machte ihn zu einem so großartigen Sänger. „Girl“, auf „Rubber Soul“, beginnt mit dieser hohen, stählernen Stimme: „Is there anybody going to listen to my story…“ Da steckt so viel Spannung drin, als würde jemand ganz plötzlich aus dem Schatten treten. Doch wenn der Refrain einsetzt, merkt man: Eigentlich spricht er direkt zu ihr. Als ich das als Teenager hörte, entsprach es genau meinem damaligen Gefühlszustand – ständig brennend vor sexueller Begierde, aber mit einem leisen Bedauern, dass man sich so wenig unter Kontrolle hat.

John war sich seiner Gefühle sicher, und das konnte man in seinen Songs hören. Bei John Lennon und den Beatles wird oft übersehen, dass es für Angehörige der Liverpooler Arbeiterklasse ungewöhnlich war, in eine höhere Gesellschaftsschicht katapultiert zu werden und ihre Wurzeln, ihre Sprache und Stimme nicht zu verstecken. Es war mutig von ihnen, sich nicht zu ändern. Mit jedem Wort, das Lennon sang, sagte er, wer er war und woher er stammte.

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Er sang nicht sehr laut. Das wurde mir klar, als ich „Oh My Love“ von „Imagine“ lernte. Der Song muss leise gesungen werden, und dafür braucht man eine Menge Kraft. Das ist paradox – um leise und hoch zu singen, muss man körperlich stark sein. In „I’m Only Sleeping“ von „Revolver“ klingt er schläfrig, als würde er gerade im Bett liegen. Oder „I’m So Tired“ auf dem Weißen Album – da wirkt er irgendwie gereizt. Diese Songs leben in einem weiter, weil der Sänger es schafft, einen bestimmten Moment in all seinen Facetten darzustellen. „Imagine“ ist eine Meisterleistung. Während er singt, macht er die Sehnsucht nach einer Welt, in der echter Friede herrscht, für uns lebendig. Und er singt mit einer Furchtlosigkeit, die Polemik ebenso verhindert wie Kitsch. Ein vernichtendes Fazit, das man nie mehr vergisst. „Double Fantasy“ ist leichter, optimistischer, mit wunderschönem Gesang – vielleicht weil er damals zu Hause seinem Sohn vorsang. John Lennon musste sich das Leben, das er hatte, teuer erkaufen. Er musste manches aufgeben, um anderes zu bekommen. Und mit vielen Themen konnte er sich dann nicht mehr beschäftigen.

Aber was verblüffend ist – er hat immer die Wahrheit gesagt. Er hielt es für sein Recht, sich zu äußern, und das verleiht seiner Stimme ihre bemerkenswerte Identität. Das hat nichts mit außergewöhnlicher Technik zu tun. John Lennon ging ohne Umwege zu dem, was er fühlte, was er zu sagen hatte.

Geburtstag: 9. Oktober 1940 (gestorben: 8. Dezember 1980).
Wichtigste Songs: „I Feel Fine“, „Strawberry Fields Forever“, „Imagine“, „Instant Karma”
Inspiration für: Bono, Neil Young, Liam Gallagher.

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