Die Drift ins Anarchische

Christian Ulmen legt ein Buch „"Für Uwe" - seine Fernseh-Gestalt - vor.

Uwe Wöllner kommt aus Hannover-Garbsen, ist ein moderat autistischer Nerd, nicht ganz dumm (Abiturnote 3,4), aber geschlagen mit der Sozialkompetenz eines Kindes. Ihm fehlt diese sich spätestens mit der Adoleszenz einstellende Korrektivfunktion des Verstandes, mit der ein erwachsener Mensch zu unterscheiden weiß, was er öffentlich äußern darf, und was er besser für sich behält. Wöllner masselt sich um Kopf und Kragen, und sein ständig die Umwelt brüskierendes, zumindest nach dem Ordo der Konsensgesellschaft offensichtlich asoziales Verhalten bekommt eine ziemliche Drift ins Anarchische, weil er nicht ganz im Pathologischen aufzugehen scheint.

Wöllner ist einer der zuerst in „Mein neuer Freund“ auftauchenden Parade und Ausnahmecharaktere von Christian Ulmen, diesem großartigen Mimen, dem man viel zu lange das widerliche Comedy-Rubrum anheften zu können glaubte. „Für Uwe“ (Kindler, 14,90) überführt die Fiktion einfach in einen anderen Aggregatzustand. Hier lässt er Wöllner selbst seine „abgefahrene Lebensgeschichte“ erzählen. Ein ganzes Buch voller Rollenprosa also, und was Ulmen als Schauspieler gelingt, gelingt ihm auch als Autor. Er geht voll auf in diesem Typen. Seine mit miesen Pennälerwitzchen, Abischlaumeiereien und absurd-debilen Verirrungen gestopfte Diktion ist absolut stimmig, nur der Plot setzt sich gern mal über das Wahrscheinlichkeitspostulat hinweg.

Die Standardsituationen im Komödienfach werden ein bisschen zu mutwillig hergenommen. Am Anfang die Beerdigung von Wöllners Mutter, die von einem Hockeyball erschlagen wird, am Ende dann die Geburtstagsfeier seines Vaters – beide enden naturgemäß in einem von Uwe absichtsvoll und mit perfider Effizienz herbeigeführten Eklat. Und dass dieser Kindskopf, der nach dem Tod seiner einzigen Fürsprecherin in der Familie sofort nach Berlin verstoßen wird, sich dort ausgerechnet bei einem befreundeten Bestattungsunternehmer verdingen muss und selbstredend gleich das erste Kundengespräch voll in den Sand setzt – tja, wer hätte das für möglich gehalten? Witzig ist das allemal.

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